Persönlichkeitstypen und Partnerschaft
von Dr. phil. Sonja Deml | 3. Mai 2022
Unserer Persönlichkeit liegen viele Facetten zugrunde, dazu gehören Ängste. Der Psychoanalytiker Fritz Riemann unterscheidet 4 Grundformen der Angst.
Früher hatten Menschen Angst vor rächenden Göttern, unberechenbaren Dämonen oder Naturgewalten. Die Ängste unterliegen einem Wandel. Heute haben wir oftmals Angst vor uns selbst – dass uns unser Leben entgleitet, dass wir eine zu enge Bindung eingehen, verlassen werden, Ungewissem gegenüberstehen oder Endgültiges durchleben. Aus diesen Ängsten hat Fritz Riemann eine Charakterkunde mit vier Persönlichkeitstypen entwickelt, bei der er es um Liebe und biographische Hintergründe geht.
Angst vor der Hingabe und die schizoide Persönlichkeit
Schizoide Menschen sind gekennzeichnet durch Angst vor der Selbsthingabe. Sie fürchten sich vor zu viel Nähe und auch vor Abhängigkeit, da ihre Persönlichkeit sehr eigenständig ist. Die Gründe dafür können in einer unbefriedigenden Bemutterung in der frühen Kindheit liegen, durch die der Drang, möglichst autark zu leben und auf niemanden angewiesen zu sein, herrührt. Oft zweifeln schizoide Persönlichkeiten an der Fähigkeit, andere lieben zu können. Das erschwert grundsätzlich die Anbahnung sozialer Kontakte genauso wie der Glaube, andere Menschen seien nicht aufrichtig. Dennoch haben sie eine Anspruchshaltung anderen Menschen gegenüber, die bei unbefriedigender Erfüllung zu Eifersucht führt. Diese sowie die Flucht in eine Arbeitssucht und überaus selbstbewusstes oder gar überhebliches Gehabe belasten zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere die Partnerschaft. Der schizoide Mensch neigt zu kurzen, intensiven Paarbeziehungen, die für den Partner oft überraschend schnell wieder gelöst werden.
Der depressive Mensch: Angst vor Selbstwerdung
Depressive Persönlichkeiten mit Angst vor der Selbstwerdung sind beziehungs- und näheorientiert. Sich nicht geborgen zu fühlen, eine Distanz zum sozialen Umfeld zu spüren oder der Gedanke, verlassen zu werden, ängstigt sie. Depressive Menschen erlebten als Kind häufig eine Überbemutterung und sie können den Wunsch, ständig umsorgt und gestützt zu werden, nicht ablegen. In Liebesbeziehungen ist der Partner stark gefordert, den Depressiven immer wieder zu bestärken, denn lässt dies nach, entstehen Verlustängste und der Depressive ergeht sich in Selbstmitleid. Eine Abwärtsspirale kommt in Gang, die letztendlich in einer erpresserischen Liebe enden kann. Häufig werden Sanktionen angekündigt, sollte der Partner sich trennen. Das kann sogar in Selbstmorddrohungen gipfeln. Doch damit wird die oftmals eingebildete Distanz zum Partner eine echte Distanz und die Beziehung scheitert.
Angst vor einer Veränderung der zwanghaften Persönlichkeit
Zwanghafte Menschen fürchten sich vor dem Unbeständigen. Wandlungen und Veränderungen sind ihnen zuwider – sogar zu viel Freiheit, Kompromisse oder Unordnung ängstigen sie. Diese Angst findet sich auch im Gefühlsleben wieder, denn Liebe, die sich zu Leidenschaft steigern kann und einen quasi überfällt, macht ihnen Angst. Ursächlich dafür ist häufig der anlagemäßig betont eigenständige Charakter. Zwanghafte Menschen möchte ihre Gefühle kontrollieren und Beziehungen mit dem Verstand steuern. Sie wirken sachlich und gefühlskalt, können aber sehr vereinnahmend sein, da sie das Ruder auch in Liebesdingen ungern aus der Hand geben. Die zwanghafte Seite zeigt sich sogar im sexuellen Bereich, da sie sich schlecht emotional in den Partner einfühlen können. Sex läuft eher nüchtern ab, die Hingabe an den anderen fehlt. Insgesamt gestalten sich Paarbeziehungen mit zwanghaften Menschen zwar stabil, aber da die Spontanität und Leidenschaft auf der Strecke bleiben, auch sehr nüchtern.
Der hysterische Mensch und die Angst vor der Notwendigkeit
Hysterische Persönlichkeiten lieben die Liebe mit all ihren Facetten: dem Rausch, der Ekstase und der Leidenschaft. Grenzüberschreitendes Erleben empfindet er als Ich-Weitung, denn der hysterische Mensch möchte über sich hinauswachsen. Im Kindesalter haben diese Menschen häufig zu wenig Führung erfahren, sie wuchsen eher in einem schillernd-chaotischem Milieu auf. Notwendigkeiten werden als unangenehm erlebt. Langeweile ist ihnen zuwider und deshalb inszeniert der hysterische Mensch sein Leben gern möglichst abwechslungsreich. Er möchte das Leben auskosten, lieben und vor allem geliebt werden. Er liebt häufig die Liebe mehr als den Partner, was in Beziehungen natürlich zu Irritationen führen kann. Die Paarbeziehung dient der Selbstbestätigung, der Partner soll den Hysterischen ständig bewundern und begehren und als Spiegel seiner Unwiderstehlichkeit dienen. Im Alter wird das oftmals aufgrund der reduzierten Attraktivität schwieriger, was zu Alterskrisen führen kann und Beziehungen sehr belastet.
Quelle: Riemann, Fritz (2022): Grundformen der Angst. Reinhardt Verlag
Foto: Canva.com
Kommentar verfassen