Bindung und Beziehungsverhalten
von Dr. phil. Sonja Deml | 24. November 2011
Wie wir uns in einer Beziehung binden und verhalten, hängt von unserer frühkindlichen Bindungserfahrung ab. Lesen Sie mehr über Beziehungstypen und Bindungsmuster.
Der Psychoanalytiker John Bowlby hat die Bindungstheorie entwickelt, die zunächst lediglich als entwicklungspsychologisches Forschungsfeld betrachtet wurde. Doch das Thema „Bindung“ erfuhr eine rasche, teilweise popularisierende Verbreitung weit über die Säuglingsforschung hinaus. In letzter Zeit taucht Bindung immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen auf: Bindung zur Mutter, Bindung zum Kind, Bindung der Partner usw. Die grundlegende Angewiesenheit auf Mitmenschen erhielt den Status eines eigenständigen Grundbedürfnisses.
Bindungsbeziehung
Bindung entsteht gleich nach der Geburt und entwickelt sich von da an weiter. Sie spielt eine wesentliche Rolle beim Gedeihen des Kindes. Die Bindungsbeziehung ist eine dyadische, enge Beziehung zu einem speziellen Menschen, der bevorzugt wird. Die Bindung wird gesucht und aufrechterhalten. So wird ein Gefühl von Sicherheit erlebt. Die Beziehung hat emotionalen Charakter und der Verlust der Bezugsperson äußert sich durch Protest und Trauer, denn die Bezugsperson ist nicht so ohne weiteres ersetzbar. Durch die frühen Bindungserfahrungen entwickeln sich innere Arbeitsmodelle bzw. Repräsentanzen und diese bestimmen die Beziehungsgestaltung auch zu anderen Personen, beispielsweise zu Liebespartnern.
Bindung messen
Bei Erwachsenen wird die Bindung anhand des „Adult Attachment Interview“ gemessen. Es geht hierbei um wesentliche Erinnerungen früher Bindungsbeziehungen sowie den Zugang zu bindungsrelevanten Gedanken und Emotionen und die eigene Beurteilung des Einflusses von Bindungserfahrungen auf die weitere Entwicklung. Durch die spezielle Fragetechnik soll das Unbewusste überrascht werden.
Bindungsstile Erwachsener
Es gibt Personen mit einem verwickelten Bindungsstil, die überaktiviertes Bindungsverhalten zeigen. Sie beobachten ihre Bezugsperson ständig aus Angst vor Verlassenwerden und möchten ständig Nähe (Hyperaktivierungsmodell). Personen mit einem abweisenden Bindungsstil hingegen haben kognitive und affektive Regulationsprozesse, durch die bindungsbezogene Gefühle und Gedanken gar nicht so sehr wahrgenommen werden (Desaktivierungsmodell).
Bindungsstile und Beziehungsverhalten
Bindungsstile hängen mit einem bestimmten Beziehungsverhalten zusammen. Es gibt sieben Bindungs-Prototypen mit den Zügen sicher, übersteigert abhängig, instabil beziehungsgestaltend, zwanghaft fürsorglich, zwanghaft selbstgenügsam, übersteigert autonomiestrebend und emotional ungebunden. Hier drei nähere Beschreibungen:
Übersteigert abhängig sind Menschen, die Anleitung bei anderen suchen und sich auf andere verlassen, da andere in den Augen dieser Personen besser zurechtkommen als sie selbst. Sie machen sich davon abhängig und fürchten, dass sich eine Bezugsperson gegen sie wendet oder sie gar verlässt.
Menschen mit einem instabil beziehungsgestaltenden Bindungsverhalten haben stark schwankende Gefühle, denn sie mögen etwas fast uneingeschränkt oder können es nicht ausstehen. Einerseits möchten sie, dass sich andere um sie kümmern, andererseits können sie es dann kaum ertragen. Wenn sie etwas haben wollen, dann soll dies sofort geschehen. Zudem haben sie manchmal das Gefühl, ihr Leben sei nicht lebenswert, insbesondere wenn sie enttäuscht wurden. Sie neigen dazu, Beziehungen zu wechseln und haben genauso wie die Übersteigert Abhängigen Bindungsangst.
Zwanghaft Selbstgenügsame sind wenig emotional und versuchen, mit Gefühlen rational umzugehen. Sie sprechen nicht gern über Gefühle und verspüren eher selten ein Nähebedürfnis. Und dieses zeigen sie dann in der Regel nicht, wirken deshalb kantig und unspontan. Diese Personen gehören nicht der Kategorie derjenigen mit Bindungsangst an, sondern werden bei Bindungsvermeidern eingeordnet.
Doch alle Bindungstypen haben eine grundlegende Gemeinsamkeit, nämlich den Wunsch nach Zuwendung.
Mehr über dieses spannende Thema finden Sie hier:
Albani, Cornelia/Pokorny, Dan/Blaser, Gerd/Kächele, Horst (2008): Beziehungsmuster und Beziehungskonflikte. Theorie, Klinik und Foschung. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen
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