So verarbeiten Kinder die Trennung ihrer Eltern
von Dr. phil. Sonja Deml | 18. Mai 2016
Für Kinder ist die Trennung ihrer Eltern ein schlimmes Ereignis. Sie geraten in eine Krise und verarbeiten eine Trennung in bestimmten Phasen.
Wenn sich die Eltern trennen oder scheiden lassen, geraten nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Kinder in eine elementare Krise. Für die Kinder bedeutet eine Trennung eine gewaltige Umbruchsituation, schließlich verschwindet in den meisten Fällen ein Elternteil aus ihrem Alltagsleben. Kinder erleben die Trennung ihrer Eltern in unterschiedlichen Phasen, so Monika Kiel-Hinrichsen, die unter anderem Beratung für Alleinerziehende und Patchworkfamilien anbietet.
Phase 1: Verleugnung
Zunächst möchten die Kinder die Trennung ihrer Eltern am liebsten gar nicht wahrhaben. Sie neigen dazu, die Trennung zu verleugnen. Ein typischer Satz in dieser Phase könnte sein: „Mein Papa macht eine große Reise und kommt dann wieder.“.
Phase 2: Aggression
Die Phase der Verleugnung geht vorüber und das Kind wird zunehmend aggressiver. Sie brauchen Erklärungen und jemanden, der an der Trennung schuld ist. Deshalb richten sich die kindlichen Aggressionen oft gegen den Elternteil, der gegangen ist. Ihm wird quasi die Schuld für die Trennung in die Schuhe geschoben.
Phase 3: Verhandlung
Gerade wenn die Trennungsgründe dem Kind verschleiert werden, müssen sie sich ein Fantasiegebilde zurechtlegen, in dem sie fälschlicherweise eine Hauptrolle spielen. Kinder können sich zum Beispiel einreden, dass sich die Eltern nicht mehr lieben, weil sie so oft wegen der schlechten Noten gestritten haben. Im Umkehrschluss bedeutet das für ein Kind: „Wenn ich in der Schule besser werde, vertragen sich Mama und Papa bestimmt wieder. Außerdem muss ich braver sein und mehr im Haushalt helfen.“. In diesem Fantasiegebilde spricht dann quasi nichts mehr gegen die heile Familie.
Phase 4: Depression
Doch die vermeintlich heile Familie kommt nicht mehr zustande und so können Trennungskinder in eine Depression verfallen. Die Trennung kann jetzt nicht mehr verleugnet oder beschönigt werden. Ärger, Wut und Aggression enden in einem tiefen Verlustgefühl. Wenn ein Kind nach der Trennung nicht wechselseitig betreut wird, seinen Papa zum Beispiel nur noch zwei Mal im Monat sehen darf, leidet das Kind nicht nur unter diesem Verlust, es kann auch Angst entwickeln, den anderen Elternteil (hier Mama) ebenfalls zu verlieren.
Phase 5: Akzeptanz
Sofern die Eltern ehrlich mit der Trennung umgehen, das Kind altersgerecht in die Trennungsgründe einweihen und genug Energie aufbringen, um ihr Kind zu stabilisieren, kann ein Kind die Trennung nach und nach akzeptieren. Dazu braucht es Zeit und die liebevolle Unterstützung beider Elternteile. Ein Kind muss wissen, wie es nach der Trennung weitergeht. Es muss ihm klar sein, dass die Liebe zwischen Mama und Papa erloschen ist, aber nicht die Liebe zum Kind. Außerdem tut es Kindern gut, wenn sie planen können und wissen, wann und wie oft sie beim anderen Elternteil sind, ob sie per Telefon in Kontakt bleiben können, wo sie wohnen werden, ob sie ihre Freunde und die Familie behalten, bei wem die Katze bleiben darf, wie Feiertage und der nächste Geburtstag begangen werden etc. So können die Kinder langsam Zukunftspläne schmieden und sie beginnen, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden und zu experimentieren. Das muss – genauso wie bei den Erwachsenen – nicht immer super klappen. Aber aus Erfahrungen wird man schließlich klug. Monika Kiel-Hinrichsen warnt getrennte Eltern davor, innerhalb dieser Verarbeitungsprozesse ihres Kindes eine neue Beziehung einzugehen. Die Kinder müssen erst alle Phase durchlaufen haben, damit sie mit dem neuen Partner oder einer Patchworkfamilie nicht heillos überfordert sind und ihren Seelenzustand in auffälligem Verhalten spiegeln.
Hier findest du weitere Tipps für getrennte Eltern
Quelle: Kiel-Hinrichsen, Monika (2014): Die Patchworkfamilie. Zusammenleben – zusammenwachsen. Verlag Urachhaus, Stuttgart
Foto: Photographee.eu
Kommentar verfassen