Streiten vor den Kindern: ja oder nein?
von Dr. phil. Sonja Deml | 18. Juni 2018
Streitigkeiten kommen in den besten Familien vor. Es ist wichtig, Konflikte zu lösen. Dennoch kann Streit ernste Folgen für die Kindesentwicklung haben.
In einer Familie sind nicht immer alle gleicher Meinung. Das muss auch nicht so sein und es ist illusorisch, dass immer Friede, Freude, Eierkuchen herrscht. Meinungsverschiedenheiten, Konflikte, aber auch große Probleme sowie Stress können dazu führen, dass schon mal die Fetzen fliegen. Viele Eltern fragen sich dann, ob Streiten vor den Kindern okay ist oder nicht. Schließlich sollen die Kinder doch lernen, wie man mit Konflikten umgeht. Andererseits sollen sie auch nicht damit belastet werden. Was ist nun richtig?
Streit der Eltern schadet den Kindern
Wissenschaftler der Universität Notre Dame in Rochester und ihre Kollegen von der Katholischen Universität in Washington DC warnen davor, Familienstreitigkeiten so ohne weiteres vor den Kindern auszutragen. Das Sicherheitsgefühl der Kinder und ihre emotionale Stabilität sind nämlich eng an die Beziehung der Eltern geknüpft. Bei Streit gerät das leicht ins Wanken und offen ausgetragener Streit vor den Kindern kann ihnen den Mut und das Selbstvertrauen nehmen, offen auf andere Menschen zuzugehen und sie bekommen Schwierigkeiten, Bindungen einzugehen. Die Wissenschaftler betonen, dass häufiger und heftiger Streit zwischen den Eltern negative Auswirkungen auf das Kindeswohl hat. Streiten sich die Eltern oft und heftig, können die darunter leidenden Kinder Anpassungsschwierigkeiten bekommen. Aggressivität oder Rückzug, Trennungs- und Verlustängste, generelle Unsicherheit sowie ein höheres Risiko für Depression, Suchtmittelmissbrauch oder Arbeitslosigkeit zählen ebenfalls zu den negativen Folgen. Das betrifft auch schon Babys und Kleinkinder, die zwar den Inhalt des Streits noch nicht verstehen, aber sehr wohl merken, dass etwas ungut läuft und sich so verunsichert fühlen. Dennoch betonen die Forscher, dass Kinder auch aus dem Streit der Eltern lernen können.
Kinder lernen aus dem Streit der Eltern
Konflikte treten in jeder Familie auf und oftmals wird darüber hitzig diskutiert und gestritten. Kindern kann nicht nur der elterliche Streit schaden, sondern auch das Unausgesprochene, das ständig in der Luft hängt, verunsichert die Kinder. Es ist nicht gut, den Kindern eine heile Welt vorzuspielen. Eltern sollten ihren Kindern vielmehr zeigen, wie Konflikte gelöst werden. Und die Kinder lernen, dass man Probleme benennen und lösen kann und die Beziehung danach weiter geht. Die Eltern können ein gutes Vorbild sein; wenn sie einige Streitregeln beachten.
Richtig streiten vor den Kindern
- Sachlich bleiben und persönliche Angriffe vermeiden
- Ruhig bleiben, denn der Ton macht die Musik
- Höflich und respektvoll miteinander umgehen
- Sich für seine Fehler entschuldigen
- Gemeinsam an einer fairen Lösung des Streitthemas arbeiten
- Kann keine Lösung gefunden werden, einen (vorläufigen) Kompromiss suchen
- Hilfe bei einer Familien- oder Paarberatungsstelle für immer wiederkehrende Streitthemen suchen
Ein Streit, der fair ausgetragen und gut gelöst wurde, schadet einem Kind nicht, sondern es zeigt ihm, dass es keine Angst vor Konflikten haben muss. Vielmehr lernt es, sich um den anderen zu bemühen und einen gemeinsamen Nenner zu finden oder sich auf einen Kompromiss zu einigen. Das kräftigt die Kinder im Umgang mit Problemen und sie können dem nächsten Streit relativ entspannt und zuversichtlich begegnen.
Zum Weiterlesen: Wie versöhnt man sich nach einem Streit
Foto: THAMRONGPAT – Fotolia.com
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