Liebe aus der östlichen Perspektive
von Dr. phil. Sonja Deml | 3. März 2021
Aus der Sicht des Hinduismus und Buddhismus ist Liebe die höchste Form des Glücks und dieses wiederum mehrt die Liebe.
Über Liebe wurde und wird viel geschrieben, denn es gibt viele interessante Sichtweisen auf dieses wunderbare Gefühl. Bijay Gyawali ist Klinischer Psychologe und Akupunkteur aus Nepal, dessen Sicht auf die Liebe stark vom Hinduismus und Buddhismus geprägt ist. Ihm zufolge ist Liebe positive Energie und Kraft, eher subjektiv als objektiv und sie verlangt nach sofortiger Erfüllung. Für Bijay Gyawali ist wahre Liebe die höchste Befriedigung – für uns selbst, unsere Mitmenschen und die gesamte Gesellschaft.
Zwischenmenschliche Liebe
Meistens meinen Menschen, die von der Liebe reden, die partnerschaftliche Liebe, der Paarbeziehungen zugrunde liegen. Auch das innige Gefühl zwischen Eltern und Kindern, anderen Familienmitgliedern oder Landsleuten wird als Liebe bezeichnet. Doch Bijay Gyawali zufolge ist das keine wahre Liebe, sondern lediglich eine Form der Anziehung und Bindung. Der Unterschied zur wahren Liebe besteht darin, dass in diesen zwischenmenschlichen Beziehungen zwangsläufig Leiden und Hass als negative Gefühle auftreten können.
Wahre Liebe aus der östlichen Perspektive
Aus der östlichen Perspektive betrachtet, ist die wahre Liebe etwas Universelles und sie bringt Menschen Frieden und Wohlergehen. Die wahre Liebe ist frei von Fixierungen. Sie verwendet weder die Worte „ich“ noch „mein“ und erhebt keine Ansprüche an den anderen. Die bedingungslose, wahre Liebe ist spontan und rein. Sie bringt den Menschen Glück, Zufriedenheit und Erfüllung. Allerdings muss sich der Liebende in einer liebenden Geistesverfassung befinden, um jeden Menschen und jedes Wesen des Universums lieben zu können. Die wahre Liebe vereint als nie versiegende Quelle und sie entspringt aus dem reinen Herzen.
„Ich“ und „mein“ in der Liebe
Wenn unser Verstand auf „ich“ und „mein“ geprägt ist, hat er trennende Gedanken, die Grenzen setzen und verhindern, dass wir uns universell öffnen können. Menschen, die in diesen Kategorien denken, beschränken sich auf bestimmte Personen, die sie lieben. Doch Bijay Gyawali warnt: Diese Form der Liebe ist eher Selbstsucht und hält Menschen in einer Fixierung gefangen, die Leiden erschafft, so zum Beispiel die grundlose Sorge um ihre Liebsten. Ferner können die Kategorien „ich“ und „mein“ Vorurteile erzeugen und Menschen gleichgültig oder feindselig gegenüber allen anderen machen, die nicht zu ihrem bevorzugten Kreis gehören.
Karuna und maitri
Die Formen wahrer Liebe sind karuna (Freundlichkeit) und maitri (Mitgefühl). Diese Begriffe werden in der hinduistischen und buddhistischen Philosophie verwendet. Karuna besitzt die Fähigkeit, das Leiden anderer Menschen durch Mitgefühl aufzuheben und maitri gibt anderen Menschen Glück durch Freundlichkeit. Anderen zu helfen und auf ihr Glück bedacht zu sein, macht selbst glücklich. Karuna und maitri verlangen keine Gegenleistung, sondern sie erstrecken Liebe auf alle Menschen und Lebewesen. Das Geheimnis von karuna und maitri ist, dass es keine Ungleichbehandlung und somit keine Fixierung gibt. Wer sich nicht fixiert, macht sich frei von Leiden, Spannungen und Schmerz.
Die wahre Liebe fördert also innere und äußere Harmonie, tut einzelnen Menschen und gesamten Gesellschaften gut und ist eine wunderbare Form, Selbstliebe und Nächstenliebe auszudrücken. Die wahre Liebe kann laut Bijay Gyawali jeder erreichen. Ein guter Weg dahin ist Meditation, die am besten gelingt, wenn wir ein einfaches und reines Leben führen.
Quelle: Bormans, Leo (Hrsg.): Liebe. The World Book of Love. Das Geheimnis der Liebe. Köln
Foto: Canva.com
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