Vermehrte psychische Belastungen bei Kindern durch Corona

von | 28. Oktober 2020

Etwa drei Viertel der Kinder fühlen sich durch die Corona-Krise seelisch belastet. Das Risiko für psychische Auffälligkeiten hat sich fast verdoppelt.

Corona KinderDas Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf untersuchte im Rahmen der COPSY-Studie wie sich die Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit unserer Kinder ausgewirkt hat. Dabei kam heraus, dass 70% der Befragten durch Corona seelisch belastet sind. Vor allem Stress, Angstzustände und Depressionen haben unter Kindern stark zugenommen. Die betroffenen Kinder klagen über Gereiztheit, Einschlafprobleme, Kopf- und Bauchschmerzen, die psychosomatischer Natur sein können. Ein Viertel der Kinder leidet unter gehäuftem Streit in der Familie, der öfters eskaliert. Viele verbringen mehr Zeit am Handy oder vor dem Fernseher. Zudem essen sie mehr Süßigkeiten und treiben weniger Sport. Die Studienleiterin Prof. Ulrike Ravens-Sieberer rechnete zwar mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens durch Corona, zeigte sich allerdings überrascht von der Heftigkeit. Doch was genau löste all diese psychischen Störungen bei Kindern aus?

Kinder brauchen Körperkontakt

Social Distancing, Abstand halten und der Verzicht auf Körperkontakt gehen mit psychologischen sowie sozialen Nebenwirkungen einher, so der Psychologie-Professor Christof Kuhbandner in einem Thesenpapier. Körperliche Berührungen sind essenzielle Elemente menschlichen Daseins und sehr wichtig für die kindliche Entwicklung sowie das Sozialverhalten. Körperkontakt beim Trösten im Kindergarten oder in der Schule ist einer der zentralen Wirkelemente. In Gruppen, in denen sich die Mitglieder häufig berühren, gibt es weniger Aggressionen. Durch angenehme Berührungen wird Stress abgebaut und das Immunsystem gestärkt. Ferner werden Gefühle der sozialen Nähe und Unterstützung vermittelt. Die Kinder fühlen sich angenommen. Durch die Vermeidung von Körperkontakt können sie sich abgewiesen fühlen. Darf kein Körperkontakt unter Kindern stattfinden, erschwert das den Aufbau von engeren freundschaftlichen Beziehungen untereinander.

Lockdown: Gefahren für Kinder

Beim ersten Lockdown fühlten sich viele Kinder eingesperrt. Nicht alle wohnen im großzügigen Eigenheim mit Garten und Wald zum Austoben nebenan. Gerade wenn Spielplätze oder Bolzplätze geschlossen sind, die Familie in einer kleinen Wohnung ohne Garten oder Balkon lebt, kann die Enge schnell als bedrohlich wahrgenommen werden und Stress sowie Aggressionen auslösen. Außerdem mussten in dieser Zeit einige Familien Einkommenseinbußen hinnehmen. Finanzielle Schwierigkeiten verstärken die negative Stimmung.

Der Lockdown machte Kinder traurig und depressiv. Keinen Kontakt zu Gleichaltrigen oder anderen Bezugspersonen zu haben, war ein massiver Einschnitt in ihren gewohnten Alltag. Vertraute Strukturen fielen weg und somit auch der Halt, den Kinder brauchen.

Nicht vergessen werden dürfen in diesem Zusammenhang diejenigen, die Zeugen oder Opfer von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch wurden. Durch die fehlende soziale Kontrolle hatten die Opfer weniger Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. Die Wohnung war als ein Schutzort vor Corona gedacht, allerdings war sie der denkbar gefährlichste Ort. Diese Erfahrungen prägen Kinder stark!

Hygienemaßnahmen im Kindergarten und in der Schule

Jeder Kindergarten und jede Schule unterliegt speziellen Hygieneregeln. Diese ändern sich immer wieder, was Kinder verunsichern und verwirren kann. In einigen Kindergärten müssen die Eltern ihre Kleinen vor der Tür abgeben. Es darf nicht gesungen werden, die Kinder dürfen nicht auf dem Schoß ihrer Erzieherin sitzen und werden ständig ermahnt, Abstand zu halten. Beispielsweise müssen sie Pfeilen folgen, dürfen nur zugewiesene Toiletten benutzen oder werden in andere/kleinere Gruppen eingeteilt. All das schränkt die freie kindliche Entwicklung ein. Zum Glück müssen Kindergartenkinder noch keinen Masken tragen.

In der Schule gilt vielerorts die Maskenpflicht auch im Unterricht. Ein Erstklässler, der mit dem Bus zur Schule fährt, trägt unter Umständen 7 Stunden lang eine Maske. Viele Kinder klagen über Kopfschmerzen, Atemnot, Erstickungsgefühle, Schwindel und Konzentrationsstörungen. Durch die Maske wird die nonverbale Kommunikation eingeschränkt, die Gesichter wirken ausdruckslos, passiv, fremd oder ängstlich. Kinder können an der Mimik Emotionen ablesen. Mit Maske können sie diese nicht einordnen. Erstklässler können oftmals nicht einschätzen, ob ihre Lehrerin z.B. nett ist, da sie ihr Gesicht nicht ganz sehen und ihre Stimme durch den Mundschutz verfremdet klingt.

Schuldgefühle: Kinder sollen das Leben von Erwachsenen schützen

Kinder entwickeln Schuldgefühle, wenn sie die Hygienevorgaben nicht einhalten können. Schließlich gefährden sie durch ihr Fehlverhalten sich selbst und andere Menschen. Mit diesen Schuldgefühlen können Ängste einhergehen, die möglicherweise zu sozialem Rückzug, Angststörungen und Depressionen führen. Viele Kinder haben Angst, für den Tod ihrer Großeltern verantwortlich zu sein. Solche Schuldgefühle können laut Prof. Kuhbandner fundamentale Entwicklungsstörungen bewirken. Aus pädagogischer Perspektive hält er es für unzulässig, Kindern eine solche Verantwortung aufzulasten.

Foto: Canva.com

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