Berufsleben und Familiengründung vereinbaren: Die Hindernisse
von Dr. phil. Sonja Deml | 19. August 2013
Partnerschaft, Familie und Beruf zu vereinbaren, ist angesichts flexibler Beschäftigungsformen nicht einfach. Berufsleben und Familiengründung...
Eine stabile Paarbeziehung zu etablieren und Fuß im Berufsleben zu fassen sind die beiden wichtigsten Aufgaben im jungen Erwachsenenalter, so die entwicklungs-psychologische Forschung. Werden diese Ziele erreicht, besitzt das einen prädiktiven Wert für ein künftiges erfolgreiches Leben – eine geringere Wahrscheinlichkeit von psychischen und sozialen Schwierigkeiten. Ferner sind diese Menschen durchschnittlich mehr mit ihrem Leben zufrieden. Doch Berufseinstieg und eine Verfestigung der Partnerschaft durch Kinder lassen sich oftmals nicht realisieren.
95% der Deutschen wünschen sich mindestens zwei Kinder
2008 wünschten sich dem Statistischen Bundesamt nach 95% der kinderlosen Deutschen im Alter von 18 bis 30 Jahren im Durchschnitt 2,1 Kinder. Da bleibt allerdings der Anteil der Kinderlosen in der Realität hoch und die tatsächliche Geburtenzahl mit 1,36 Kindern pro Frau hinter dem geäußerten Kinderwunsch zurück. Die steigende berufliche und ökonomische Unsicherheit junger Erwachsener beeinflusst die Partnerschaftsqualität und die Entscheidung für ein Kind negativ. Bei Männern stärker als bei Frauen, was darauf zurückgeführt werden könnte, dass das traditionelle Familienmodell unter deutschen Männern weiter verbreitet ist als unter Frauen.
Beruf und Partnerschaft: Die Konflikte
Die Spillover-Theorie besagt, dass Verhaltensweisen, Emotionen und Erlebnisse in einem Lebensbereich Aspekte in einer anderen Lebensdomäne beeinflussen. Also: Stress im Berufsleben wirkt sich negativ auf die Partnerschaft aus, wenn jemand beispielsweise so gereizt ist, dass er nach einem Streit mit dem Chef seinen Partner zuhause beleidigt. Angst vor Arbeitsplatzverlust, geringe Entlohnung, zu wenig Wertschätzung am Arbeitsplatz oder eine generelle Unzufriedenheit mit dem Beruf können die Partnerschaftsqualität verschlechtern. Nicht immer gelingt eine emotionale Abkapselung von Arbeit und Familie und „work interferences with family“ sind vorprogrammiert. Zeitbasierte Konflikte schränken die Lebensqualität in der Partnerschaft ein, denn berufliche Zeitanforderungen lassen oftmals nur wenig Raum für private Aktivitäten. Und beanspruchungsbasierte Konflikte entstehen, wenn das Beschäftigungsverhältnis so belastend ist, dass die Erfüllung der Rolle als Partner bzw. Elternteil erschwert wird. Geringes Einkommen kann ein Anlass für Partnerschafts-streitigkeiten sein, was in Einzelfällen zum Aufschub einer Hochzeit und der Planung eines Kindes führt.
Partnerschaft und Familie helfen beruflichen Stress zu bewältigen
Als Coping-Ressourcen spielen Partnerschaft und Familie eine aktive Rolle zur Bewältigung von Stress. In der Familie erfährt das Individuum Wertschätzung. Es wäre also wichtig, eine erfüllende Partnerschaft oder sogar eine Familie zu haben, die einen nach einem belastenden Arbeitstag auffängt. Doch unsichere Beschäftigungsverhältnisse, wie sie in heutiger Zeit verstärkt auftreten und insbesondere Leiharbeit wird als Hinderungsgrund für die Gründung einer Familie gesehen. Die Angst, nicht adäquat für seine Kinder sorgen zu können, spielt dabei eine große Rolle. Diese Angst kann in Einzelfällen sogar zu einem Schwangerschaftsabbruch führen. Nicht immer können beide Partner in derselben Region arbeiten und auch das Leben in einer Fernbeziehung lässt junge Menschen vor der Familiengründung zurückschrecken. Sie möchten einen gemeinsamen Familienalltag haben.
Prekäre und hochgradig flexible Beschäftigungsverhältnisse lassen häufig den Traum von einer eigenen Familie einen Traum bleiben. Vielleicht würde die Geburtenrate wieder steigen, wenn Wirtschaft und Politik für mehr Sicherheit und Anerkennung der Arbeitnehmer sorgen würde.
Quelle: Niehaus, Moritz (2013): Leiharbeit und Privatleben: Auswirkungen einer flexiblen Beschäftigungsform auf Partnerschaft und Familie. In: Berliner Journal für Soziologie 4/12
Foto: Ursula Deja – Fotolia.com
Kommentar verfassen