Singles mit Kind: Das Aus für die klassische Kleinfamilie?
von Dr. phil. Sonja Deml | 18. November 2010
Viele Ehen werden geschieden, Singles mit Kind und Patchwork-Familien gibt es zu Hauf. Hat die Ehe an Bedeutung verloren und die klassische Kleinfamilie ausgedient?
Das goldene Zeitalter der Kleinfamilie
Vater, Mutter, Kind… Die Nachkriegsjahre gelten als das „goldene Zeitalter“ der Kleinfamilie typischerweise mit Vati, Mutti, einem Sohn und einer Tochter. In den 1950er Jahren stellte sich ein restauratives politisches Klima gepaart mit einem ausgeprägten Wunsch, sich eine Familienidylle aufzubauen, ein. In dieser Zeit wurden so viele Ehen wie nie geschlossen und nahezu genauso viele Familien gegründet. Sie alle strebten nach dem klassischen Lebenslauf, bei dem mit Mitte Zwanzig geheiratet wird und dann bald die Kinder geboren werden. Der Krieg zeigte den Menschen, dass die verlässlichsten Bande die der Familie sind. Zwar gab es damals Singles und viele Alleinerziehende, die ihren Ehepartner im Krieg verloren haben, aber ein harmonisches Familienleben dominierte das Denken.
Vor allem alleinstehende Frauen galten als problematische Bevölkerungsgruppe, denn sie beteiligten sich am Wiederaufbau nicht genug weil sie sich ja nicht reproduzierten. Kriegswitwen wurden als Relikte der Vergangenheit betrachtet, ihr sozialer Status sank und sie erfuhren weniger Bedauern. Sie wurden sogar als Gefahr für bestehende Ehen betrachtet, da sie ein Auge auf verheiratete Männer werfen könnten. Andererseits repräsentierten ledige berufstätige Frauen und auch Männer das Wirtschaftswunder und man hoffte, dass sie die Gesellschaft durch eine baldige Familiengründung stützen würden.
Singles bedeuteten das Ende der Familie
In den 1960er Jahren wurde das Bild von der Familie als harmonische Gemeinschaft kritischer betrachtet und die Singles bekamen eine neue Stellung in der Gesellschaft. Sie wurden teilweise als Yuppies bezeichnet und galten als gesellschaftliche Leitfigur. Auch die Institution Ehe wurde hinterfragt und männliche Autorität, die ungleiche Arbeitsteilung und das Hausfrauendasein wurden negativer bewertet. Deswegen wurde ab den 1980er Jahren prognostiziert, die klassische Kleinfamilie sei auf Grund der neuen alternativen Lebensformen und der Möglichkeit, auch Kinder ohne Partner großzuziehen, ein „Auslaufmodell“. Die Singles bedeuteten das Ende der Familie. Zudem stiegen die Scheidungszahlen und gleichzeitig auch die Patchwork–Familien, welche die Kleinfamilie zu ersetzen und die alten Familienwerte zu erschüttern drohten.
Die ablehnende Haltung gegenüber Singles und Singles mit Kind oder Kindern entstand auf der Grundlage der Individualisierung. Diese Bewegung soll den Singles ihre Art zu leben erst ermöglicht haben. Außerdem sei die Familie als tragende Säule der Gesellschaft von den Singles bedroht und ohne Reproduktion würde die Gesellschaft nicht weiter existieren können, so die gängigen Vorurteile der gesellschaftlichen und politischen Diskussion.
Singles mit Kind sind keine Seltenheit mehr
Dass es die Familien heute schwer haben, ist jedoch nicht die Schuld der Singles. Es gibt natürlich einen Trend zu alternativen Lebensformen außerhalb der klassischen Kleinfamilie und Singles mit Kind (ern) sind keine Seltenheit mehr. Ehepaare mit Kindern und einem Häuschen im Grünen mit einem Meerschweinchenkäfig im Garten kommen sich vielleicht sogar unmodern vor. Aber sie ernten auch von vorbeigehenden Singles oder unglücklich Liierten oft neidische Blicke, wenn sich die Familie abends zum Essen in der gemütlich beleuchteten Küche trifft und eine harmonische Stimmung nach außen dringt. Eine glückliche Familie ist also noch immer ein starkes Gebilde und obwohl viele Ehen geschieden werden ist dies nicht mit einem Bedeutungsverlust der Ehe an sich gleichzusetzen. Der Wunsch nach Heirat ist nach wie vor da und wen rührt nicht ein altes Ehepaar, das Händchen haltend auf der Parkbank sitzt und die Enten im Teich beobachtet?
Singles mit Kind wünschen sich eine neue Beziehung
Befragt man Singles mit Kind, dann erfährt man, dass der Wunsch nach einer Paarbeziehung meist vorhanden ist. Zwar scheinen die Statistiken das Zerbrechen von Partnerschaften zu beweisen, aber wenn man einen Blick auf die individuellen Lebensgeschichten wirft, so wird klar, dass die Liebe einen hohen Stellenwert hat. Emotionalität wird heute sogar höher bewertet als früher. Alternative Lebensformen sind oftmals gescheiterte Versuche, ein traditionelles Leben zu führen und können ein Übergangsstadium darstellen. Die Liebe ist ja ein seltsames Spiel und sie kommt und geht von einem zum andern…
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