Beziehungsstreit: Was sich liebt, das streitet sich

von | 28. April 2011

Mit Ende der ersten Verliebtheitsphase kommen Streit und Ärger in der Partnerschaft auf, doch je länger die Beziehung dauert, desto weniger streiten sich Paare.

Ich wette, dass sich genau in diesem Moment ein Paar über die obligatorische Zahnpastatube streitet. Außenstehende schmunzeln darüber, denn es ist doch eigentlich lächerlich.

Warum aber bringen uns gerade die Banalitäten auf die Palme? Mein französischer Lieblingssoziologe Jean-Claude Kaufmann ist dem Phänomen nachgegangen, indem er Paare befragt hat.

Ärger und Streit sind Zeichen dafür, dass sich das Paar näher kommt

Zu Anfang der Beziehung versuchen beide noch, sämtliche Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Mit dem ersten Ärger aber beginnt der Prozess der Herstellung einer Einheit, denn je häufiger und intimer der Umgang ist, desto enger ist die Verschmelzung und im Zuge dessen das Risiko, sich zu ärgern sobald Differenzen ans Tageslicht kommen.

Streitereien nehmen mit der Dauer der Beziehung ab

Anfangs werden die Streitereien nicht so deutlich wahrgenommen, da sie auch nicht so verbittert ausgetragen werden. Aber je jünger die Partner sind, desto häufiger kommen kleinere Streitereien vor. Das Individuelle und das Partnerschaftliche rivalisieren miteinander. Mit den Jahren und der Dauer der Partnerschaft nehmen sie ab, denn der Prozess der Anpassung ist zunächst komplex. Zuerst geht es um verschiedene Differenzen, die beigelegt werden müssen, später dreht es sich meist immer um dieselben Themen. Zudem verliert der kommunikative Austausch an Intensität.

Kleinigkeiten geben Anlass zu Streit

Das Repertoire, das Ärger verursachen kann, ist unerschöpflich und der Auslöser sind meist Kleinigkeiten. Häufige Streitthemen sind Geld, Haushaltsführung, Unordnung, Tischmanieren, Unpünktlichkeit, Intensität der Hobbys, Kindererziehung oder Haustiere. Das Auto gibt besonderen Anlass zu Streitereien. Es geht hierbei um den Fahrstil, die Dekoration, Sauberkeit, Radiosender, Lautstärke und Temperatur. Es gibt sogar Paare, die gehen an die Decke, wenn der oder die andere sich räuspert bevor er ins Waschbecken spuckt, die schmutzigen Socken herumliegen lässt, zu viel Mayonnaise isst, beim Kauen mit dem Kiefer knackt oder beim Zubettgehen die Decke so hochhebt, dass es dem anderen kalt hineinzieht. Marie-Anne ärgerte sich über den ersten selbst gefangenen Hecht ihres Ehemannes, denn er ließ den Kopf ausstopfen und hat ihn in der Wohnung aufhängt. Marie-Anne hasste den Anblick und so wanderte der Hechtkopf durch die Wohnung, denn es ließ sich kein angemessener Platz finden. Sie einigten sich dann darauf, den Kopf hinter ihrem Platz am Esstisch aufzuhängen, so dass er ihn ständig im Blick und sie ihn im Rücken hatte bis der Angler schließlich irgendwann den Anblick satt hatte und die Trophäe in seine Werkstatt tat.

Die Zahnpastatube als besonderes Ärgernis

Zusammen mit der Zahnbürste hält die Zahnpastatube meist als erstes Einzug in die Wohnung des neuen Partners und damit werden die häuslichen Anfänge einer Partnerschaft besiegelt. Deswegen ist die Zahnpastatube kein gewöhnlicher Gegenstand, sondern hat Symbolcharakter. Die Behutsamen haben eine fest gefügte Vorstellung darüber, wie man am besten mit der Tube umgeht und die Freieren schenken der Tube keine spezielle Aufmerksamkeit. Diese Differenz kann durchaus als inakzeptabel gewertet werden.

Frauen ärgern sich mehr

Frauen finden sich oft in einer Falle wieder, denn vor allem bei der Hausarbeit übernehmen sie immer noch den größeren Teil. Männer erledigen die häuslichen Pflichten auch manchmal nicht gut genug. Diese wiederum machen sich unter dem Deckmantel der Inkompetenz bequem. Männer sind in der Regel etwas entspannter und regen sich nicht so stark auf.

Die drei Stufen des Ärgers

Der Ärger läuft phasenweise ab: Die unterste Stufe ist das Vergessen, die Herstellung eines oberflächlichen Friedens, also Verdrängung. Die zweite Stufe beinhaltet die Angewohnheit, sich zurückzuhalten und einfach nichts zu sagen. Die dritte Stufe ist die Kristallisation und geschieht ganz plötzlich in Form eines lauten, befreienden Geschreis – der Streit.

Für das Funktionieren der Partnerschaft ist Ärger unabdingbar. Die Kunst, damit umzugehen, lässt aus den Partnern „verliebte Komplizen“ werden. Ein Streit ist durchaus sinnvoll und völlig normal in einer funktionierenden Paarbeziehung. Jede erfolgreich bewältigte Streiterei schweißt das Paar enger zusammen. Es kommt allerdings auf die Form an.

Quelle: Kaufmann, Jean-Claude (2008): Was sich liebt, das nervt sich. UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz

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