Spielzeug für Mädchen – Spielzeug für Jungs
von Dr. phil. Sonja Deml | 1. Oktober 2020
Spielzeughersteller richten sich gezielt an Mädchen oder Jungen als eigene Zielgruppe. Wie sinnvoll oder schädlich ist solch eine Stigmatisierung?
Schon beim Babyspielzeug gibt es hellblaue Stoffhasen für Jungs und rosa Stoffhasen für Mädchen. Sucht man ein Geschenk für ein Kind, ist die erste Frage der VerkäuferInnen „Soll es für ein Mädchen oder für einen Jungen sein?“. Offensichtlich geht die Spielzeugbranche davon aus, dass Mädchen und Jungen unterschiedliche Interessen haben und die Spielzeughersteller gehen mit ihren Produkten darauf ein. Werden im Spielzeugladen Stereotype erzeugt oder ist es nur natürlich, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Spielsachen mögen?
Spielsachen für Mädchen
Es scheint, als würden Mädchen spielerisch auf die klassische (bereits überholte?) Rolle der Frau vorbereitet. Bei vielen Mädchenspielsachen werden Themen wie Schönheit, Haushalt, Kinderbetreuung oder Fürsorge aufgegriffen. Das zeigt sich in Frisierpuppen, Schminksets, Kinderküchen, Kaufläden, Bügeleisen und sämtlichen Haushaltsutensilien sowie Puppen mit unterschiedlichen Funktionen.
Spielsachen für Jungen
Jungsspielzeug hingegen beinhaltet oftmals die Komponenten Sport, Kampf, Action, Technik oder Wissen. Fahrzeuge in sämtlichen Ausführungen, die schwere Arbeiten verrichten, scheinen beliebt zu sein. Figuren, die Themen wie übernatürliche Kräfte, Heldentum und Sieg verkörpern, finden sich in vielen Varianten. Da fragt sich manches kritische Elternteil, ob dadurch Fantasie oder Selbstüberschätzung gefördert werden. Außerdem scheint es, als würden Jungen schon früh durch technisches und naturwissenschaftliches Spielzeug dazu animiert, sich mit kniffligen Aufgaben zu beschäftigen. Chemie-, Physik- und andere experimentelle Baukästen sollen schon in jungen Jahren bilden. Wissen ist schließlich Macht!
Bevorzugen Mädchen und Jungen unterschiedliche Spielsachen?
Dass Mädchen und Jungen bereits im Alter von 9 bis 32 Monaten unterschiedliche Spielsachen präferieren, ist völlig natürlich. Auch ältere Kinder scheinen geschlechtstypische Spielsachen zu bevorzugen. Das fanden Brenda K. Todd und ihr Team bei der Auswertung verschiedener internationaler Studien heraus. Die Forscher halten die Spielzeugvorlieben für ein Ergebnis von angeborenen und sozialen Faktoren. Die Erziehung und das soziale Umfeld spielen dabei übrigens eine untergeordnete Rolle, denn auch in Ländern, in denen besonderer Wert auf Geschlechtergleichheit gelegt wurde, zeigte sich dieser Effekt. Die natürlichen Präferenzen können allerdings durch das Umfeld und die damit vermittelten Rollenvorstellungen, Werbung und die geschlechtstypischen Bilder in den Medien bei Kindern verstärkt werden.
Mädchen- und Jungenspielsachen kritisch betrachtet
Kinder können Marketing noch nicht gut von der Realität trennen. Durch speziell an Jungen oder Mädchen gerichtete Werbung bzw. das Angebot in der Spielzeugabteilung fühlen sie sich schnell in eine Rolle gedrängt, denn mit geschlechtsspezifischem Spielzeug ist eine gesellschaftliche Erwartungshaltung verbunden. Dabei wird übersehen, dass das ein Widerspruch zu den Bemühungen der Gleichstellung der Geschlechter ist. Schließlich sollen sich Männer verstärkt um Kindererziehung und Haushalt kümmern und Frauen mehr Führungspositionen einnehmen.
Die Kindheit ist prägend. Kinder spielen mit ihren Spielsachen oftmals nur den Familienalltag nach bzw. das, was sie oder andere sich darunter vorstellen. Dieses häufig idealisierte Bild kann bis ins Erwachsenenalter hinein nachwirken. Manche Menschen fühlen sich in einer Rolle verankert, die sie nicht glücklich macht, z.B. Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen.
Kinder möchten sich vielleicht lieber ausprobieren. Fährt ein Junge mit seinem Puppenwagen spazieren oder spielt ein Mädchen im Sandkasten mit einer Actionfigur, sind ihnen skeptische Blicke oder Kommentare garantiert. Dieses Spielverhalten weicht von der idealtypischen Vorstellung ab und veranlasst einige Eltern, Verwandte oder unbeteiligte Passanten sogar zur Besorgnis, ob das Kind „normal“ ist. Das Kind kann sich dadurch ausgegrenzt und defizitär fühlen. Es weicht schließlich von einer sozialen Norm ab, hat etwas „falsch gemacht“.
Was denkst du: Sollte die Trennung zwischen Mädchenspielsachen und Jungsspielsachen aufgehoben werden und sollte es mehr genderneutrales Kinderspielzeug geben?
Foto: Canva.com
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