Das Verzeihen in der Liebe: Was und wie kann ich verzeihen

von | 3. August 2011

In einer Beziehung sollte man verzeihen können, denn Verletzungen bleiben in der Liebe nicht aus. Doch wie und was kann man verzeihen und wo die Grenzen ziehen?

Herz Verzeihen LiebeDemütigungen, Kränkungen und vermeintliches Unrecht setzen sich tief in der Seele fest. „Das verzeihe ich Dir nie!“ denkt sich der Verletzte und schwört vielleicht sogar Rache. Verzeihen ist jedoch wichtig, um wieder lieben zu können und eine Neugestaltung der Partnerschaft zu schaffen.

Verzeihen ist aber auch Schwerstarbeit für die Seele, so der Paartherapeut Michael Cöllen. Die Fähigkeit zum Verzeihen wird zum Führerschein für die Liebe.

Verzeihliches und Unverzeihliches

Verzeihen hat Grenzen und alles immer wieder zu verzeihen ist genauso schädlich wie nie zu verzeihen. Michael Cöllen plädiert grundsätzlich für das Verzeihen, auch das Verzeihen der Untreue. Wiederholtes Fremdgehen ist jedoch ein Grund, nicht (mehr) zu verzeihen. Körperliche, seelische und verbale Gewalt sollte seiner Meinung nach auch ein Mal verziehen werden. Dies ständig zu verzeihen ist ein Zeichen von Unterlegenheit und einer Opferhaltung, die den anderen sogar anstachelt. Ein immer wieder gedemütigter Mensch braucht dagegen Hilfe, damit er nicht mehr verzeiht. Der Paartherapeut rät zum Nachdenken, ob man einschneidende Erlebnisse wie die Abwesenheit des Vaters bei der Geburt des gemeinsamen Kindes, eine durch den Partner erzwungene Abtreibung, die Weigerung, eine eigene Familie zu gründen genauso wie Beischlaf-Verweigerung oder dass die Arbeit der Liebe vorgezogen wird, verzeiht. Meistens muss man sich diesbezüglich ebenfalls selbst verzeihen, dass man diese Situation zugelassen hat.

Körperliches und seelisches Heil durch Verzeihen

Neben einer neuen Chance für die Liebe hat Verzeihen einen heilenden Effekt auf die psychische und auf die physische Gesundheit. Untersuchungen belegen sogar, dass das Verzeihen vor allem bei Krebsleiden einen bedeutenden Heilfaktor hat.

So fällt Verzeihen leichter

Selbstkritik, das Lernen durch Fehler und das Lernen durch den Partner und Einfühlung in den Partner erleichtert Verzeihen. Des Weiteren zeitlicher und räumlicher Abstand zum verletzenden Partner, Kenntnisse der Beweggründe für das Handeln des Anderen und dessen Lebensgeschichte. Der Wunsch nach Harmonie und eine religiöse bzw. ethische Einstellung machen das Verzeihen ebenso einfacher.

Gebrauchsanweisung für Verzeihensarbeit

Ein „Tschuldigung“ reicht nicht, wenn man ernsthaft um Verzeihung bittet. Michael Cöllen hat ein 5-Stufen-Modell erarbeitet: Die Stufen führen erst einmal hinab in die Tiefe der frühesten Verletzungen, um dann nach oben zum unbeschwerten Neuanfang zu kommen. Zunächst muss sich das Paar die Kränkungen des anderen anhören, sie begreifen und würdigen. Auf der zweiten Stufe geht es darum, die Verletzungen der Kindheit zu verstehen und zu bearbeiten. Danach können gemeinsame Konfliktmuster erkannt werden und das Paar ist in der Lage, voneinander zu lernen statt zu streiten. Die vierte Stufe widmet sich der Suche nach dem Sinn des Verzeihens und der Versöhnung. Beim Versöhnen darf das Paar nicht stehen bleiben, sondern muss einen Schritt weiter gehen zur Wiedergutmachung durch kreatives Ändern.

Verzeihensbriefe und Nachtgespräche

Es gibt mehrere Übungen für Paare, die einander verzeihen möchten. Zwei haben mir gut gefallen: Beide legen in einem ausführlichen Brief dar, was Sie ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin an Leid zugefügt haben und lesen ihn sich gegenseitig in einer ruhigen Stunde vor. Anschließend werden die Briefe überreicht. Zudem sollte eigentlich jedes Paar ein Mal im Monat Zeit für „Nachtgespräche“ reservieren – frisch Verliebte reden oft nächtelang. Bei den Nachtgesprächen werden die Kränkungen und die glücklichen Stunden besprochen. Jeweils einer übernimmt im Wechsel die Gestaltung, indem er den Raum schmückt und Blumen, Obst, Kerzen und Musik organisiert. Durch die Nachtgespräche lassen sich Rückfälle in alte Konfliktmuster vermeiden.

Übrigens sind nach dem Verständnis der Tiefenpsychologie 75% aller Partnerschaftskrisen das Produkt der eigenen inneren Unfriedlichkeit. Es lohnt sich, mal über sich selbst nachzudenken.

Cöllen, Michael (2009): Das Verzeihen in der Liebe. Kreuz Verlag, Freiburg

 

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