Der Zahnwechsel bei Kindern: Wackeln die Zähne, dann wackelt die Seele
von Dr. phil. Sonja Deml | 12. Oktober 2015
Mit dem Zahnwechsel geht die Kleinkindzeit vorbei. Wackeln die Zähne, wackelt auch die Seele. Unruhe, Zappeligkeit und häufiges Weinen können die Folge sein.
Der Zahnwechsel ist bei einigen Kindern nicht nur mit Unwohlsein oder gar Schmerzen im Mund verbunden – vielmehr schlägt sich der Zahnwechsel auch auf die Seele. Die schöne Kleinkindzeit geht langsam zu Ende und aus dem Kleinkind wird ein Schulkind. Das Kind weiß aber noch gar nicht, was es erwartet und ist mit den ganzen Veränderungen im Äußeren und im Inneren oftmals überfordert.
Zahndurchbruch und Zahnwechsel
Bereits beim ersten Zähnchen können die Babys unruhig, weinerlich, anhänglich oder eigensinniger werden. Mit etwa 2 ½ Jahren vervollständigt sich das Milchgebiss und die Kinder zeigen dann schon deutlich ihren Willen. Mit 6 ½ Jahren etwa beginnt der Frontzahnwechsel mit seinen spezifischen Problemen. Im 9. Lebensjahr werden die Eckzähne und die ersten Prämolaren ausgetauscht. Die Eckzähne gelten als Ausdruck von Selbstbehauptung und gesunder Aggressivität. Eltern können das manchmal merken. Und in der Pubertätskrise mit etwa 12 Jahren brechen die zweiten Molaren durch. Im jungen Erwachsenenalter kommen die Weisheitszähne zum Vorschein. Und alle diese Veränderungen verändern auch das Kind, denn bezeichnenderweise fallen viele bedeutende Geschehnisse mit dem Zahndurchbruch oder dem Zahnwechsel zusammen.
Der Zahnwechsel: Vom Kleinkind zum Schulkind
Der Zahnwechsel beginnt mit etwa 6 1/2 Jahren kurz vor der Einschulung, so dass die Kinder am ersten Schultag mit Zahnlücke in die Kamera lachen. Zum Ende der Kleinkindzeit hin verändert sich das Kind stark. Der sog. Gestaltwechsel setzt ein: Die rundlichen Kleinkindformen werden konturierter, die Patschhändchen verschwinden, der Körper streckt sich und das Gesicht verändert sich indem sich der Kiefer weiter ausformt. Das Kind stößt Milchzahn um Milchzahn sein altes Aussehen ab und wird zu einem anderen Kind mit einer neuen Identität. Das alles ist ein komplizierter Prozess und eine liebevolle Entwicklungshilfe tut Kindern in der Zeit gut, denn der Prozess bringt manchmal noch andere Probleme mit sich. Besonders deutlich zeigt sich das am Zahnwechsel kurz vor der Einschulung.
Probleme des Zahnwechsels
Der Zahnwechsel kurz vor der Einschulung wird von Eltern als labile Phase beschrieben. Viele stehen mit Unverständnis dem veränderten Verhalten ihres Kindes gegenüber. Eltern wundern sich über die Gefühlsschwankungen ihres Kindes. Einerseits wird es frech, andererseits fängt es bei der kleinsten Rüge an zu weinen. Das Kind wird unruhig, ängstlich, zappelig, aggressiv, eigensinnig und unkonzentriert. Es wirkt traurig und schlapp. Sogar die Körperhaltung ist schlapp. Das Kind scheint oft gar nicht zu wissen, wohin mit seinem langen Rücken, Armen und Beinen. Es lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes hängen. Sensible Eltern merken, dass das Herumlümmeln keine Unart des Kindes ist, sondern ein körperlicher Ausdruck seiner inneren Zerrissenheit. Viele Kinder bekommen einen Heißhunger auf Süßes. Sie möchten dadurch die verlorengegangene Süße der Kleinkindzeit ersetzen.
Der Zahnwechsel: Tipps für Familien
Kinder brauchen in der Zeit des Zahnwechsels das Gefühl der Geborgenheit und sie möchten gehalten werden – auch körperlich. Das Selbstvertrauen des Kindes sollte gestärkt werden, so dass es gut durch die Zeit des Zahnwechsels kommt. Außerdem brauchen diese Kinder ein gutes Körpergefühl. Viel Bewegung an der frischen Luft, Berührungen, Massagen und Streicheleinheiten tragen dazu bei. Sind Kinder sehr flatterig, kann auch eine neue Frisur dem Kind zur Ruhe verhelfen. Haare, die wild herumhängen, können durch Spangen, Zöpfe oder einen guten Schnitt gebändigt werden und das wirkt oft beruhigend. Wenn Kinder im Haushalt helfen, trägt das nicht nur zur äußeren, sondern auch zur inneren Ordnung bei. Eine gesunde Ernährung harmonisiert den Körper, stärkt ihn und unterstützt die verschiedenen Wachstumsprozesse. Wichtig ist ein strukturierter Alltag, der Sicherheit und Harmonie vermittelt. Vielen Kindern tut das freie Malen mit Wasserfarben gut. Die Suche nach dem Gleichgewicht der Farben und Flächen hilft das innere Gleichgewicht herzustellen. Außerdem gelangen viele Kinder zur Ruhe, wenn ihnen vorgelesen wird, zum Beispiel aus dem Buch “Elfe Florine und der Wackelzahn”.
Quelle: Kiel-Hinrichsen, Monika/Kviske, Renate (2015): Wackeln die Zähne – wackelt die Seele. Der Zahnwechsel. Ein Handbuch für Eltern und Erziehende. Verlag Urachhaus, Stuttgart
Foto: StefanieB. – Fotolia.com
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