Zusammenbleiben wegen der Kinder?
von Dr. phil. Sonja Deml | 13. August 2012
Wegen der Kinder zusammenbleiben oder besser die Partnerschaft beenden? Welche Entwicklungschancen bieten sich für Kinder getrennter bzw. geschiedener Eltern...
Sie leben in einer negativen Partnerschaft und überlegen, ob eine Trennung sinnvoll wäre? Viele Eltern haben jedoch Angst vor dem Beziehungs-Aus denn sie möchten dadurch ihren Kindern natürlich nicht schaden. Einerseits leiden Kinder unter dem ständigen Streit der Eltern, andererseits wirken sich auch die Trennungsfolgen auf die Kleinen aus. Ich möchte Ihnen einige wissenschaftliche Erkenntnisse vorstellen, die sich mit der inneren Erlebniswelt von Kindern alleinerziehender Mütter beschäftigen – denn meistens bleiben die Kinder bei ihren Mamas.
Vaterlosigkeit als negative Komponente im Lebenslauf
Die meisten psychologisch orientierten Studien beschäftigen sich mit den negativen Auswirkungen des fehlenden Vaters in der Kindheit. Kinder, die ohne ihren Vater aufwachsen, nehmen demnach Defizite in ihrer kognitiven, emotionalen, sozialen und psychosexuellen Entwicklung hin. Michael Lamb und Henry Biller zeigen, dass eine Trennung vom Vater für Kinder in den ersten Lebensjahren negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und insbesondere auf das Selbstwertgefühl, die soziale und moralische Entwicklung sowie die Ausprägung der Geschlechtsrollenidentität (vor allem bei Jungen) hat. Wassilios Fthenakis konstatiert, dass das Risiko psychischer Erkrankungen von Trennungskindern viermal größer ist als bei Kindern zusammenlebender Eltern. Sollen Eltern also zusammenbleiben? Diese Ergebnisse wollen wir nicht so stehen lassen, denn die Beendigung einer das Kind schädigenden Partnerschaft beinhaltet positive Entwicklungschancen.
Scheidungskinder sind früher selbständig
Eine Trennung muss sich nicht zwangsläufig destruktiv auf die kindliche Entwicklung niederschlagen. Udo Rauchfleisch kritisiert das negativ verzerrte Bild von Singlemüttern. Er vermutet, dass patriarchal geprägte Forscher nicht unvoreingenommen vorgehen. Ihm nach besitzen Scheidungskinder eine größere psychische Reife und Stabilität, größeres Verantwortungsgefühl, mehr Selbständigkeit und eine bemerkenswerte Kooperationsbereitschaft im Vergleich zu Kindern aus Zweielternfamilien. Rosemarie Nave-Herz sieht die Problematik des fehlenden Vaters ebenfalls differenziert, denn sie warnt vor den psychischen Schäden dauernd miterlebter Elternkonflikte. So könnten Scheidungskinder durchaus von einer Trennung profitieren, denn sie sind Nave-Herz zufolge früher selbständig und psychisch reifer. Ich erlebe immer wieder Trennungskinder, die nach dem Überwinden der destruktiven Partnerschaft ihrer Eltern regelrecht aufblühen. Aus Trennungskindern können durchaus glückliche Patchworkkinder und glückliche Erwachsene werden. Dennoch spürt man manchmal eine gewisse innere Zerrissenheit.
Trennungskinder: Gewinner und Verlierer
In einer amerikanischen Studie unter der Leitung von Judith Wallerstein und Sandra Blakeslee kam heraus, dass etwa ein Drittel der Kinder von der Scheidung profitierten und es weit mehr als einem Drittel der Kinder nach fünf Jahren schlechter ging als vor der Scheidung. Sie waren depressiv, hatten Probleme in der Schule sowie mit ihren Freunden und zeigten Schlafstörungen, Lernschwierigkeiten und Aggressivität. Den Forscherinnen nach bedeutet die Trennung das Ende der Kindheit und Kinder hoffen sogar nach fünfzehn Jahren noch auf eine Versöhnung der Eltern. Was also tun, wenn die Scheidung unausweichlich ist? Anneke Napp-Peters hat herausgefunden, dass die Kooperationsfähigkeit des mit dem Kind zusammenlebenden Elternteils zum getrennten Elternteil die wichtigste Variable bei der Bewertung psychischer Folgeschäden ist. Ermöglichen Sie also, wann immer es geht, ihrem Kind Kontakt zu beiden Elternteilen.
Berühmte Kinder alleinerziehender Mütter
Es gibt viele erfolgreiche Menschen, die ohne ihren Vater aufwuchsen. Vielleicht kennen Sie jemanden in Ihrem Bekanntenkreis und wenn nicht – hier einige prominente Persönlichkeiten: Leonardo da Vinci, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Bill Clinton sind Trennungskinder. Ob sie allerdings dadurch glücklicher wurden, wisssen wir nicht.
Mein Rat: Überstürzen Sie keine Trennung, wenn Sie Kinder haben, sondern versuchen Sie zunächst, Ihre Partnerschaftsprobleme mithilfe einer Paarberatung oder -therapie zu lösen. Hier können Sie gemeinsam mit professioneller Hilfe überlegen, inwiefern eine Trennung Ihre und die Situation Ihrer Kinder verändert. Zögern Sie auch nicht mit einer Trennung, wenn Ihr Kind unter einem physisch oder psychisch Gewalt ausübenden Elternteil leidet. Wenn sich die Trennung nicht vermeiden lässt, versuchen Sie, die Trennung nicht mit weiteren Veränderungen für Ihr Kind wie Kindergarten- oder Schuleintritt zusammenfallen zu lassen. Sie sollten dabei der Kinder zuliebe möglichst fair miteinander umgehen und trotz Trennung gute Eltern sein.
Quelle: Dammasch, Frank (2000): Die innere Erlebniswelt von Kindern alleinerziehender Mütter: eine Studie über Vaterlosigkeit anhand einer psychoanalytischen Interpretation zweier Erstinterviews. Brandes und Apsel, Frankfurt am Main
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