Was nervt Mütter am Muttersein?
von Dr. phil. Sonja Deml | 28. Februar 2025
Seit jeher sind Mütter von ihrer Rolle als Mutter genervt. Die Hintergründe erforschte bereits der Kinderarzt Donald W. Winnicott (1886-1971).
Egal ob das Wunschkind jahrelang herbeigesehnt wurde oder das Kind völlig unerwartet ins Leben der Mutter trat – Mütter sind oftmals frustriert. Das erschreckt viele Frauen, da sie ihre Kinder ja lieben. Doch es gibt Schattenseiten des Daseins als Mutter. Der Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald W. Winnicott befragte Mütter im Jahr 1960 und es ist erstaunlich, dass diese Aussagen immer noch Gültigkeit haben. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verschoben, aber die Situation der Mutter hat sich nicht grundlegend verändert.
Mütter kleiner Kinder und ihre Gefühle
Zunächst stören Mütter Dinge wie Unordnung, Zeitdruck, Lärm, Herumwuseln des Kindes, Müdigkeit und die damit einhergehende Unkonzentriertheit. Wenn Mütter müde sind, können ihnen Umstände auf die Nerven gehen, die im ausgeschlafenen und entspannten Zustand kein Grund zur Aufregung wären. Zudem setzt Mütter die ewige Routine unter Druck sowie das Gefühl, ständig irgendetwas aufschieben zu müssen, weil ein Bedürfnis oder Missgeschick des Kindes dazwischenkommt. Mütter fühlen sich nicht direkt von ihren Kindern genervt, denn diese können ja nichts dafür, dass sie kleine Kinder sind, sondern von ihrer Rolle als Mutter, der sie nicht so gerecht werden können, wie sie das gerne würden. Ferner haben sie ein Problem damit, dass es in ihrem Privatbereich nichts mehr gibt, das sakrosankt ist und an das ihr Kind nicht herankommt. Das Innerste der Frau wird durch die Mutterschaft nach außen gekehrt. Eine Mutter ist nicht mehr die Person, die sie mal war.
Mütter und ihre Partner
Viele Mütter fühlen sich auch von ihren Ehemännern oder Lebensgefährten genervt, wenn diese zu wenig Verständnis für die zusätzlichen Belastungen der Partnerin zeigen oder sie das Gefühl haben, den Vorstellungen des Mannes nicht gerecht zu werden. Zudem geht Müttern der Streit um die Aufgabenverteilung auf die Nerven. Manche Frauen haben während der Mutterzeit sogar den Wunsch, mit dem Mann zu tauschen, geregelte Arbeitszeiten zu haben, einen abgesteckten Rahmen innerhalb dessen sie sich beruflich und privat bewegen und Menschen, an die sie Pflichten delegieren können. Die Väter hingegen würden vielleicht gerne mit den Müttern tauschen, um dem stressigen Berufsalltag zu entfliehen, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und im prächtigsten Durcheinander Spaß zu haben.
Die positive Aussicht
Donald Winnicott betont, dass sich Mütter in einigen Jahren nicht mehr genau daran erinnern werden, wie ihnen zumute war, als die Kinder klein und sie so gestresst waren. Die Mütter werden diese Zeit vielleicht idealisieren und eine positive Rückschau halten. Die bedingungslose Verfügbarkeit gilt nur für eine gewisse Zeitspanne, dann wird die Mutter wieder einen Privatbereich und mehr Zeit für sich haben. Um die Genervtheit aufzulösen ist es gut, über seine Gefühle zu sprechen, denn unterdrückter Ärger vergiftet die liebevolle Atmosphäre, die auch im größten Chaos möglich ist.
Quelle: Winnicott, Donald W. (Auflage von 2024): Kinder. Gespräche mit Eltern. Psychosozial-Verlag
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