Von Alphakindern und Leitwölfen

von | 10. November 2017

Nehmen sich Eltern in der Erziehung zu sehr zurück, fehlt der Leitwolf in der Familie. Kinder werden zu Alphakindern. Alle leiden unter dieser Situation.

Es gibt unzählige Erziehungsratgeber, die Medien geben unterschiedliche Erziehungstipps und jeder Mensch ist geprägt von seiner eigenen Erziehung – man möchte vieles anders machen als die eigenen Eltern. Kinder sollen nicht zu streng, aber auch nicht zu lax erzogen werden. Doch wie soll die Gratwanderung gelingen? Viele Eltern sind verunsichert und möchten in der Erziehung ihrer Kinder nichts falsch machen, nehmen sich deshalb zurück und überlassen (unbewusst) den Kindern die Führung. Doch die Kinder sind damit überfordert und können zu sog. Alphakindern werden. Jesper Juul und Gordon Neufeld erklären dieses Phänomen.

Die Merkmale von Alphakindern

Alphakinder sind die Bestimmer in der Familie. Sie haben die Führungsrolle übernommen und stecken die Grenzen weit. Alphakinder sind fordernd, rechthaberisch und kontrollierend. Sie machen ihren Eltern Vorschriften, bestimmen den Tagesablauf und bekommen Anfälle, wenn etwas nicht nach ihrem Kopf geht. Der kanadische Entwicklungspsychologe Gordon Neufeld beschäftigt sich mit Alphakindern und hat herausgefunden, dass Kinder zu Alphakindern werden, wenn die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ins Ungleichgewicht gerät. Diese scheinbar starken Kinder können innerlich sehr verzweifelt sein: Niemand versteht sie, sondern sie werden als ungezogene Tyrannen stigmatisiert. Aber Alphakinder sind verunsichert und mit ihrer Führungsrolle schlichtweg überfordert. Kinder brauchen eine starke Beziehung zu ihren Eltern und klare Hierarchien, sagt Gordon Neufeld in der Online-Ausgabe der Huffington Post vom 12.10.2016, auch wenn viele Eltern sich dagegen wehren. Ähnlich drückt es der dänische Familientherapeut Jesper Juul aus, wenn er von Eltern als Leitwölfen spricht.

Eltern als Leitwölfe

Jesper Juul arbeitet vermehrt mit Kindern, die den Takt vorgeben: Sie stehen morgens nicht auf, trödeln beim Fertigwerden, räumen nicht auf, steigen nicht ins Auto ein, gehorchen nicht etc. Die Eltern sind verzweifelt und versuchen durch Belohnungen den Kindern richtiges Verhalten beizubringen. Das führt allerdings eher dazu, dass die Eltern ihre Kinder manipulieren und gleichzeitig sind die Kinder in einer Machtposition, in der sie ihre Eltern erpressen können. Alphakinder eben, die nur gegen Gummibärchen aus dem Fahrradanhänger kriechen, brav beim Einkaufen sind oder Pippi machen. Jesper Juul rät Erziehern solcher Kinder dann, ihre zwischenmenschlichen Kompetenzen zu überdenken, denn Kinder möchten nicht ständig solche Machtkämpfe mit Eltern, die orientierungslos wirken. Vielmehr brauchen sie liebevolle Leitwölfe. So finden sich die Kinder im Dickicht des Lebens besser zurecht.

Kinder brauchen eine liebevolle Führung

Jesper Juul ist für „Gleichwürdigkeit“ zwischen Eltern und Kind. Das beinhaltet aber auch, dass die Kinder ein Stück weit aus der Verantwortung genommen werden und die Eltern eine liebevolle Führung übernehmen, die proaktiv, empathisch, flexibel, dialogbasiert und fürsorglich ist: Eltern sollten ihren eigenen Werten und Zielen entsprechend handeln (proaktiv), ihre Kinder wirklich wahrnehmen (empathisch), Veränderungen und Entwicklungen berücksichtigen, statt immer nur konsequent zu sein (flexibel) und die Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse des Kindes ernst nehmen, selbst wenn sie den eigenen entgegengesetzt sind (fürsorglich und dialogbasiert). Ferner müssen Eltern persönliche Autorität zeigen. Das bedeutet einen Ersatz für die auf Rollen basierende Autorität. Persönliche Autorität basiert auf Selbstwertgefühl, Selbsterkenntnis, Selbstachtung, Selbstvertrauen und auf der Fähigkeit, seine Werte und Grenzen ernst zu nehmen, allerdings ohne der Versuchung zu erliegen, sich nur aufzublasen. Außerdem beinhaltet persönliche Autorität die Fähigkeit, anderen Menschen mit Respekt zu begegnen und auf sie einzugehen. Gar nicht so leicht, aber an diesem Führungsstil wachsen Juul zufolge alle vom Kleinkind über den Teenager bis hin zu den Eltern selbst.

Foto: hkuchera – Fotolia.com
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