Sind die „neuen“ Väter unmännlich?
von Dr. phil. Sonja Deml | 28. März 2013
Die neuen Väter übernehmen mehr Aufgaben in der Familie und kümmern sich stärker um ihre Kinder. Sind diese Väter unmännlich und wie gehen sie damit um?
Die Fürsorge und Pflege kleiner Kinder ist eng an Frauen gekoppelt – zumindest in der symbolischen Geschlechterordnung. Frauen seinen von Natur aus eher dazu geeignet, die Bedürfnisse von Kindern zu erkennen und zu befriedigen. Schließlich bringen sie die Kinder auf die Welt. Mütterlichkeit und Weiblichkeit sind in dieser Vorstellung aneinander gekoppelt.
Neue Väter und ihr Image
In letzter Zeit kümmern sich immer mehr Männer und ihre Kinder. Sie nehmen Elternzeit und scheuen sich nicht, ihr Baby öffentlich zu wickeln, im Tragetuch spazieren zu tragen oder auf dem Spielplatz zu toben. Diese “neuen” Väter haben ein bestimmtes Image und werden in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen. Als mein Mann unseren Sohn Maxi im Kinderwagen spazieren fuhr, haben ihn viele Frauen angesprochen, wie bewundernswert sie das finden. Das hätten sie sich von ihren Männern auch gewünscht. Männer arbeiteten früher eher für die Familie und weniger in der Familie. Sie wurden bzw. werden auch als wahrer Mann anerkannt, wenn sie sich nicht aktiv um ihre Kinder kümmern, sondern lediglich finanziell für sie sorgen. Doch wie gehen Männer mit dieser neuen Situation um? Die Soziologen Karsten Kassner, Nina Wehner und Diana Baumgarten haben Männer dazu interviewt.
Väter als Mutterersatz?
Es gibt die Väter, die mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten. Dabei betrachten sie sich nicht als defizitärer Mutterersatz. Vielmehr beteiligen sie sich mit Selbstverständlichkeit an der alltäglichen Care- und Hausarbeit. Frauen müssen noch immer begründen, warum sie erwerbstätig sind obwohl sie Kinder haben. Männer hingegen müssen erklären, warum sie der Familie wegen nur Teilzeit arbeiten obwohl sie doch zu einer Vollzeittätigkeit fähig wären. Niemand frägt einen Vater, wie er es schafft, so kurz nach der Geburt wieder Vollzeit zu arbeiten. Eher wird bei Männern bezweifelt, ob sie die Betreuung und Erziehung der Kinder tatsächlich bewältigen können. Hier dienen mütterliche Praxen als Maßstab für Elternschaft und Väter bleiben damit in einer defizitären bzw. sekundären Position. Ein „Vollzeitvater“ ist noch immer außergewöhnlich genauso wie eine Schwangere, die um eine Gehaltserhöhung bittet, weil sie demnächst die Familie ernähren wird.
Aktive Vaterschaft und nicht-hierarchische Elternschaft
Ein Mann, der den ganzen Tag über arbeitet, hat möglicherweise kaum Zeit für familiäres Engagement. Da bleibt wenig Raum, die eigene väterliche Fürsorge als erfüllend zu betrachten. Vielmehr wird es zu einem weiteren Erfordernis neben der Erwerbsarbeit für so manchen Mann. Dabei werden die Rahmenbedingungen als wenig veränderbar wahrgenommen. Aussagen wie „Ich kann nicht auf 80 Prozent zurück (…). Ich müsste einen anderen Job machen.“ werden beispielsweise getroffen. Diese Väter empfinden aktive Vaterschaft als Erwartung, die von außen kommt und es fällt ihnen deshalb auch schwer, sich selbst als kompetenten und der Mutter gleichwertigen Elternteil zu betrachten. Doch es gibt durchaus Männer, die sich kompetent fühlen und als gleichwertig bezeichnen. Sie gehen von einem gleichen Potenzial aus und betonen, dass man Zeit mit seinem Kind verbringen muss, um es richtig kennenzulernen. Fürsorgliche Kompetenz kann ebenso als Ergebnis von Erfahrungen betrachtet werden, was der männlichen Identität keinen Abbruch tut.
Quelle: Kassner, Karsten/Wehner, Nina/Baumgarten, Diana (2013): Vater sein: Fast genauso gut wie Mütter oder anders? In: Grisard, Dominique/Jäger, Ulle/König, Tomke (Hg.): Verschieden sein. Nachdenken über Geschlecht und Differenz. Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus
Wahrnehmung von Vätern
Das Engagement von Vätern wird in der Öffentlichkeit grundsätzlich positiv bewertet, aber eher als „freiwillige Zusatzleistung“ gesehen. Beispielsweise gibt es in Männertoiletten noch kaum Wickelplätze und Männer werden im Krankheitsfall ihrer Kinder nicht in gleicher Weise adressiert wie Mütter. Es täte auch innerhalb der Familie gut, unterschiedliche Umgangsweisen mit Kindern zuzulassen und diese als gleichwertig zu sehen. So lernen Kinder ein Rollenverständnis fernab festgelegter Geschlechterstereotypen kennen.
Ich möchte zum Schluss einen Vater zitieren, der diesen schönen Satz über seine Papi-Aufgaben gesagt hat: „Ich mach’s einfach, weil ich das Kind gerne hab“. Ist das nicht wunderbar? Diese Aussage würde sicherlich auch gut auf alleinerziehende Väter bzw. Wochenendpapas passen, die gerne Zeit mit ihren Kindern verbringen. Obwohl nur etwa 10% der Alleinerziehenden männlich sind, können Singlepapas ganz wunderbare Väter sein, die Fulltime ihren Nachwuchs erziehen. Und es gibt viele getrennt lebende Wochenendpapas, die sich rührend um ihre Kleinen und Großen kümmern – fernab jeglicher Rollenklischees.
Foto: Kzenon – Fotolia.com
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