Suche Frau! Für Sex oder die Liebe?
von Dr. phil. Sonja Deml | 29. März 2012
Wenn ein Mann eine Frau sucht, kann dies für Sex oder Liebe oder beides sein. Wie das Internet unser Liebesleben verändert, untersuchte Jean-Claude Kaufmann.
Zu Beginn des dritten Jahrtausends hat sich das Universum der Liebesbegegnungen grundlegend geändert. Diese sanfte Revolution wurde durch eine neue Bejahung der Sexualität seitens der Frauen und der Verbreitung des Internets ausgelöst. Durch das Internet entstand eine andere Epoche der Begegnung – leicht und berauschend, aber voller Fallen für Männer und Frauen. Mein französischer Lieblingssoziologe Jean-Claude Kaufmann hat untersucht, wie das Internet unser Liebes- und Sexualleben verändert hat.
Das Internet – ein Supermarkt der Liebe
Manche Online-Datingseiten wirken wie ein Supermarkt der Liebe bzw. der Sexualität. Jeder ist Konsument und Verkäufer und möchte seine Wünsche möglichst effizient befriedigen. In kostenlosen Singlebörsen ist der „Deal“ sogar gratis. Alles scheint völlig leger und zwanglos vonstatten zu gehen, denn die Spielregeln sind vermeintlich frei. Deshalb tummeln sich im Internet gerne Schürzenjäger, die der Sexualität eine besondere Wichtigkeit zuweisen.
Sex als Freizeitbeschäftigung
Sex soll zum gemeinsamen Wohlbefinden beitragen, soll beiden Spaß machen und die Sexpartner geben genauso viel wie sie nehmen. Diese illusorische Vorstellung nimmt ein bisschen Anleihen bei der Liebe, wenngleich es nicht um Bindung gehen soll. Viele Männer haben schon immer davon geträumt und nach dem Ablegen der sexuellen Fesseln sind einige Frauen dazu jetzt auch bereit. Doch es ist selten, dass dieses Arrangement komplikationslos klappt. Öfter kommt es vor, dass Lügen, Unhöflichkeit und verbale Brutalität diese Verbindung belasten. Jean-Claude Kaufmann hat bei seiner Untersuchung verschiedener Blogs herausgefunden, dass ein höllischer Mechanismus Männer dazu treibt, radikalere Machos zu werden und die Frauen mit der gleichen Aggressivität darauf reagieren. Denn enttäuschte Erwartungen, fehlende Regeln und die öffentliche Beschimpfung von solchen Frauen als „Schlampen“ tragen dazu bei.
Die Suche nach Liebe
Unsere Welt basiert auf dem traurigen Modell des berechnenden Individuums und das Leben kann sehr hart sein. Männer und Frauen sind erschöpft, haben viel durchgemacht, sie sind in ihrer Selbstachtung getroffen und verspüren ein großes Bedürfnis nach einer Schulter zum Anlehnen, einem aufmerksamen Ohr und einem liebevollen Blick. Zärtlichkeit für eine Nacht reicht da nicht aus. Doch was ist wichtiger – unverbindlicher Sex oder die verpflichtende Liebe?
Frauen und Männer zwischen Sex und Liebe
Frauen merken, dass sie zwischen emanzipatorischen Bestrebungen hinsichtlich sexueller Gleichberechtigung und dem Traum von einer Gefühlsbindung hin- und hergerissen werden. Einerseits möchten sie sich sexuell genauso austoben wie die Männer, andererseits träumen sie von der großen Liebe, haben aber Angst, diese Bindung mit den harten familiären Pflichten zu bezahlen. Das erklärt die innere Gespaltenheit, die Frauen umtreibt und so entstehen oftmals völlig entgegengesetzte biographische Phasen. Bei Männern dürfte sich das ähnlich verhalten. Übrigens geben erschreckend viele Männer zu, mit einer Frau, die schnellem Sex zustimmt, grundsätzlich keine Partnerschaft einzugehen. Wir stehen insofern erst am Anfang eines tiefgreifenden Sittenwandels, wenngleich es rühmliche männliche Ausnahmen gibt, die Frauen die gleiche sexuelle Freiheit zugestehen wie sie selbst beanspruchen.
Kaufmann, Jean-Claude (2011): Sex@mour. Wie das Internet unser Liebesleben verändert. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz
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