Er will nur Sex
von Lilith Winterfeldt | 26. Juli 2010
Wenn ein Mann beim ersten Treffen Sex will, möchte er möglicherweise nur einen One-Night-Stand. Wie verhält man sich als Frau in solch Situation?
Neulich lernte ich einen Typen flüchtig in einer Bar kennen. Er war gerade am Gehen und da ich ihn ganz süß fand, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprach ihn an. Ohne uns lange zu unterhalten, tauschten wir Telefonnummern. Ziemlich bald rief er an und da wir uns nicht gleich antrafen, kommunizierten wir eine Weile mit unseren Anrufbeantwortern. Dabei wurden die Sprüche immer witziger und charmanter und ich dachte: Bingo, wenigstens hat der Typ Humor. Endlich erreichten wir uns, und das Gespräch konnte locker mit dem Anrufbeantworter – Geflirte mithalten.
Wir vereinbarten, uns zu treffen. Als ich ihn eine Woche später wiedersah, schlug mein Herz noch höher, denn er sah noch besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Wir trafen uns in meiner Lieblings-Bar, in der ich quasi Heimspiel hatte. Nicht nur, dass viele Bekannte vorbeliefen und ich alle 5 Minuten ein „Hey hallo, wie geht’s?“ zugerufen bekam (ó lala, Madame kennt Gott und die Welt), sondern der Barkeeper meinte es gut und schenkte recht großzügig ein. Bald lachten wir um die Wette, ich war entzückt von seinem Humor und lachte Tränen, wie lange nicht mehr.
Irgendwann ließ Mr. Funny fallen, er habe eine offene Beziehung zu einer Frau in einem anderen Land. Ich war sichtlich enttäuscht, versuchte aber cool zu reagieren. Aha, offene Beziehung, das interpretierte ich eher als: die Richtige hat er noch nicht gefunden. In der Tat scheiterten all seine Beziehungen nach 2 Jahren. Nun ja, 2 Jahre finde ich nicht so kurz, zeugt es doch von einer gewissen Bindungsfähigkeit. Aber als er als Grund angab, ihn langweilte der Sex nach 2 Jahren, vor allem, weil er immer mehr bräuchte, als er kriegen konnte, zog ich innerlich eine Augenbraue hoch. Irgendwie schaffte es aber der Alkohol, dass ich alle Frühwarnsysteme ignorierte und mich auf dieses Abenteuer mit Mr. Horny einlassen wollte.
Irgendwann knutschen wir… Dazwischen sagte er noch, er wäre offen für alles und wenn wir jetzt miteinander schliefen, wäre das „voll ok“ (O-Ton). Ich wollte aber erst mal noch ein bisschen spielen und teasen. Das Küssen war super, sehr vielversprechend. Aber hallelujah, warum macht Frau eigentlich jeden Scheiß mit? Spätestens als er sagte, er bräuchte noch schnell etwas zu essen und sich daraufhin einen Döner reinzog, hätte ich eigentlich dankend ablehnen müssen. Stattdessen ließ ich mich weiter mit Knoblauchfahne küssen. Das einzige, was mich davon abhielt, weiterzugehen, war eigentlich mein Reiz, auszutesten, wie lange er meiner Ziererei widerstehen könnte. Drängelnd sagte er: „Wollen wir zu Dir?“. Ich verneinte, an den nächsten Morgen denkend und wie ich die Knofi-Fahne wieder zum Gehen bewegen würde. Daraufhin er: „Dann gehen wir zu mir“. Mir war aber bei dem Gedanken an WG-Atmosphäre und verpoppten, fremden Betten auch nicht wohl. Außerdem störte mich seine Fahne, aber noch mehr, dass er so selbstsicher war und sich unwiderstehlich fand. Irgendwie kam ihm gar nicht der Gedanke, dass man sich schon ein bisschen mehr bemühen muss, um mich ins Bett zu kriegen. OK, wir hatten einen tollen Abend, aber meine Erfahrung lehrte mich, dass ein Mann, wenn er toll ist und es wert ist, auch bis zum zweiten Treffen warten kann. Nicht, dass ich was gegen Sex beim ersten Date habe, aber irgendwie fühlte sich das hier nicht richtig an. Ich verneinte also wieder.
Ich bekam sogleich die Quittung, als er mich fragte: „Sag mal, hast Du ein Problem mit Sex?“. Ich schaute ihn verblüfft an. Nein, ganz im Gegenteil. Daraufhin schob er mich weg und sagte: „Dann bist du zu prüde für mich“. Ich dachte noch, WAAAS? Das ist ja wohl ein Scherz und fing an zu lachen. Immerhin hatte der ganze Abend ja eh einen humoresken Unterton. Aber er drehte sich um und ging…. Ohne Tschüss, ohne Vorwarnung…. Einfach so. Ich blieb noch stehen, dachte, jaja, der ist lustig, der verarscht mich ein bisschen. Irgendwann fing ich an, in meine Richtung zu gehen, in der Hoffnung, er sieht mich gehen und kommt schnell zurück, um mich aufzuhalten. Immerhin schien das ja alles zu diesem seltsamen Verführungsspiel zu gehören, dass er initiiert hatte. Mein Handy umklammerte ich griffbereit in meiner Jackentasche, er rief ja gleich an, um zu sagen: Hey sexy Lady, komm zurück…
Irgendwann erreichte ich meine Haustür… schloss auf… zog die Tür zu… war drin und begann zu checken, dass er nicht mehr anrief. Was für ein Arschloch!
Gut, dass ich nicht mitgegangen war, dachte ich, dies allerdings erst ein paar Tage später, denn so ein Typ wäre wieder einer mehr in der Karteileichen-Kartei der „Ich-melde-mich-Typen“ geworden, in die ich mich immer erst im Nachhinein unter Voll-Projektion verknallt hätte. So gesehen ist mir viel Leid erspart geblieben.
Das eigentlich Schlimme an der Geschichte aber war, dass dieser Typ so viele Zweifel in mir wachgerufen hatte. Zweifel, ob ich vielleicht wirklich ein Problem mit Sex habe, ob ich wirklich prüde bin, ob ich nicht einfach endlich mal wieder hätte Spaß haben sollen… Scheiß auf den emotionalen Kater, der danach kommt. Einfach mal wieder unvernünftig sein, eine wilde Nacht mit tollem Sex und ungezügelter Lust und…so weiter…
Dass dieser blöde Typ es geschafft hatte, dass ich mich selbst hinterfrage, dass ich unsicher wurde, dass ich sauer auf mich selbst war und das Gefühl hatte, einen legendären One-Night-Stand versäumt zu haben, das waren Gedanken, die meinem Verhalten Lügen straften.
Aber vielleicht muss ich mir endlich eingestehen, dass ich nicht die unkontrollierte Frau bin, die sich, ohne an das Morgen zu denken, in wilde Abenteuer stürzt und sich von dem Kater danach nicht abhalten lässt, viele „unvernünftige“ Sachen zu machen… Vielleicht bin ich einfach zu sehr Romantikerin, die in Blumenwiesen von ehrlichen und tief emotionalen Augenblicken träumt…. Oder einfach nur von jemandem, der es ehrlich mit mir meint…
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