Beziehung auf Distanz
von Lilith Winterfeldt | 17. Januar 2011
Wenn die Traumfrau oder der Traummann in einer anderen Stadt wohnt, ist es sicherlich nicht einfach, aber eine Fernbeziehung zu führen, hat auch Vorteile.
Neulich erzählte mir eine Freundin, sie hat sich in einen Typen verliebt. Der absolute Hammer, der Traummann schlechthin, alles passt. Angeblich. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: er wohnt nicht in der gleichen Stadt…. Ja nicht mal im gleichen Land…
Ich fragte sie, wie so eine Beziehung denn aussehen soll? Lange Telefonate, tausend SMS, Skype-Sex? Hört sich nicht so erfüllend an. Was machen, wenn kein Easy Jet in die Stadt fliegt oder dank saisonaler Hoch-Zeit jeder Flug einen mehr in den finanziellen Ruin treibt? Wie kann man sich eigentlich kennen lernen, wenn der andere Partner Kilometer weit entfernt wohnt? Was ist Fake und was ist das richtige Leben?
Natürlich setzt sich jeder seine Märchenprinz oder -prinzessinen Maske auf, wenn es darum geht, Alltagsmarotten zu verstecken. Wir sind Meister im Blenden, doch wie lange können wir das durchhalten? Bis der Partner mal eine Woche zu Besuch bleibt, anstatt des wohldosierten Freitag Abend hin – Sonntag Abend zurück? Wie groß sind die Erwartungen, die auf ein Wochenende projiziert werden, wenn man sich nur dann sieht, oder noch schlimmer, nur alle 14 Tage oder alle 4 Wochen? Muss dann immer alles himmelschreiend harmonisch und schön sein?
Die Idee, mit dem Partner Urlaub in seiner oder der eigenen Stadt zu machen und sich richtig Zeit füreinander zu nehmen, am Wochenende ohne Termine und Verpflichtungen, klingt toll. Vielleicht sogar so toll, dass man gerne die Haare in der Dusche oder die nicht runter geklappte Toilettenbrille übersieht, solange es zeitlich begrenzt und mit einem Rückfahrticket verbunden ist. Denn in der Wohnung des anderen zu leben – und sei es nur temporär- erfordert von jedem Toleranz, Akzeptanz und ein gewisses Maß an Gleichgültigkeit. Für die schöne Dauer von 72 Wochenendstunden muss man sich vielleicht an die schwarze Schrankwand oder das Bücherregal mit Beziehungsratgebern gewöhnen. Und vielleicht ist es sogar romantischer, sich am Wochenende in sein kleines Liebesnest mit dem neuen Partner zu verkriechen und traute Zweisamkeit zu genießen.
Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, in der Woche sein Leben zu regeln, den Alltag zu leben, die Freunde zu treffen, Sport zu treiben und das romantisch Tête á Tête aufs Wochenende zu verschieben. Und eigentlich toll, wenn man den Angebeteten in Hamburg, München oder Berlin besuchen kann, statt nach Pusemuckel zu müssen oder in Oererkenschwiek zu bleiben. Aber was tun, wenn einen in der Woche spontan die Sehnsucht übermannt? Was tun, wenn man Alltagsdinge teilen will, wenn am Wochenende Reisen, Verpflichtungen oder Aktivitäten des Sportvereins anstehen? Was tun, wenn man misstrauisch ist oder ein eifersüchtiger Typ, der bei jedem zeitlich nach hinten geschobenen Telefonat sofort eine Frau aus der Firma wittert und nicht mehr schlafen kann vor lauter übler Gedanken?
Nonverbale Kommunikation ist naturgegeben schwer per Telefon, und trotz Vorstellungskraft hat Skype nicht die wunderschöne Mittelbarkeit des sich Gegenüber-Sitzens. Aber dafür kann die Sehnsucht auf den anderen in der Woche wachsen und sich am Wochenende in einem leidenschaftlichen Sturm entladen.
Ich für meinen Teil bin fernbeziehungserprobt und finde es wunderbar, in der Woche Zeit für mich zu haben und am Wochenende in die Stadt des anderen zu fahren. Leider war meine Beziehung in einem anderen Land, wir waren arme Studenten vor der Easy Jet Zeit, das Treffen fand kumuliert in den Semesterferien statt. Das waren immer drei tolle Sonnenmonate in Spanien, inklusive Traumurlaub.
Dafür ging unsere Beziehung kurz nach dem Zusammenziehen in die Brüche… Dem Alltag hielt die verlängerte Urlaubsliebe nicht stand. Auch das ist der Vorteil einer Fernbeziehung: ein Katalysator der Ereignisse und ein Brandbeschleuniger für Dinge, die nicht zusammen gehören.
Kommentar verfassen