Sprachentwicklung: Das sollten Eltern wissen
von Dr. phil. Sonja Deml | 8. Mai 2014
In welchen Schritten lernt ein Kind sprechen, wie können Eltern bei der Sprachentwicklung behilflich sein und wann muss eine Sprachstörung behandelt werden?
Schon im Mutterleib trainiert das Baby seine Lippen, seine Zunge und seinen Gaumen – wenn es zum Beispiel an seinem Daumen nuckelt. Das ungeborene Kind nimmt Geräusche und Stimmen durch die Bauchdecke wahr. Dieses Muskeltraining und das Hören sind erste Stationen der Sprachentwicklung. Bei der Geburt macht sich das Kind durch einen Schrei bemerkbar und dann nimmt die Sprachentwicklung seinen individuellen Lauf. Dr. Sonja Deml fragt den Logenpäden, Entwicklungs- und Lerntherapeuten Jan-Philipp Janssen, wie es nach der Geburt mit der Sprachentwicklung weitergeht und worauf Eltern achten sollten.
In welchen Schritten vollzieht sich die Sprachentwicklung nach der Geburt?
Jan-Philipp Janssen: Babys geben schon früh etwas von sich. Diese Zeit wird Brabbelphase oder Lallphase genannt. Babys entwickeln ihre eigene Babysprache und probieren sie aus. Der Mund, die Zunge und die Muskeln werden unbewusst trainiert, um Laute produzieren zu können. Sprache insgesamt unterteile ich in vier Bereiche: Sprachverständnis als Basis. Das Kind muss Sprache verstehen können, um Sprache auch anwenden zu können. Wortschatz, Satzbau und Aussprache. In allen Bereichen gibt es Meilensteine, die ein Kind bis zu einem bestimmten Alter haben sollte. Ein Kind sollte immer mehr Sprache verstehen, immer mehr Wörter im aktiven und passiven Wortschatz haben, es sollte komplexere Sätze bilden und letztendlich alle Buchstaben und Konsonantenverbindungen aussprechen können.
Ist es sinnvoll, sich auf das Brabbeln mit einem Baby einzulassen oder stört das eher die Sprachentwicklung?
Jan-Philipp Janssen: Es ist ganz normal, dass man Ammensprache oder Babysprache mit Kindern spricht. Das stört die Sprachentwicklung des Kindes auf keinen Fall, sondern das Kind fühlt sich verstanden und angenommen. Das ist ganz wichtig im ersten Lebensjahr. In der Regel merken Eltern intuitiv, wann es Sinn macht, immer besser mit dem Kind zu sprechen. Das Kind muss seine Muttersprache deutlich hören, um selber lernen zu können. Grundsätzlich sagt man in der Beratung, dass das Sprachvorbild, also Eltern, Großeltern oder andere Bezugspersonen, immer eine Stufe in der Sprache voraus sein sollte. Das Kind hat nix davon, wenn man Schachtelsätze baut weil es die noch nicht versteht. Allerdings sollten auch nicht zu einfache Sätze gesprochen werden. Wenn das Kind Dreiwortsätze spricht, kann man schon Fünfwortsätze vorsagen. Die meisten Eltern machen das automatisch richtig ohne sich groß Gedanken darüber zu machen.
Wann läuft die Sprachentwicklung nicht mehr normal, welche Störungen können auftreten und an wen können sich Eltern wenden?
Jan-Philipp Janssen: Der Kinderarzt betrachtet bereits bei den empfohlenen Untersuchungen den Bereich Sprache und er sieht, ob das Kind die Meilensteine erreicht. Wenn ein Kind stark hinter den Meilensteinen hinterherhinkt, dann sollte man weitere Schritte einleiten. Mit zwei Jahren sollte ein Kind zum Beispiel einen Wortschatz von 50 Wörtern haben. Weil die Wortschatzentwicklung ganz stark davon abhängt, wie sehr ein Kind ab dem zweiten Geburtstag seinen Wortschatz aufbauen kann. Letztendlich ist der Wortschatz auch gekoppelt an die Intelligenzentwicklung. Es gibt Studien, die zeigen, dass ein Kind dann den Wortschatz nur schwerer erlernen kann. Alle Laute bis auf das Lispeln und schwierigere Konsonantenverbindungen wie zum Beispiel TR oder KR sollten Kinder mit 4 ½ Jahren bilden können. TR und KR sind für Kinder schwierige Verbindungen, die durchaus noch nach 4 ½ Jahren von selbst klappen können. Aber vor der Einschulung sollte das Problem in Angriff genommen werden. Kinder, die solche Verbindungen nicht können, tun sich schwerer beim Lesen und Schreiben lernen. Oft sind das phonologische Probleme der Hör-Wahrnehmung. Das Kind kann dann vielleicht im Diktat bestimmte Buchstaben nicht raushören. Eine Höruntersuchung ist ganz wichtig sobald man den Verdacht hat, dass das Kind nicht gut hört oder lauter spricht als nötig wäre. Das Hörvermögen ist ein wichtiger Faktor und gerade Kinder, die unter Mittelohrentzündungen leiden, können dann Schwierigkeiten haben. Der Logopäde darf grundsätzlich auf Verordnung eines Arztes arbeiten und der Logopäde kann mit den Eltern besprechen, wie er dem Kind helfen kann. Erst dann beginnt eine entsprechende Therapie.
Vielen Dank!
Jan-Philipp Janssens Logopädie-Praxis „Super Sprechen“ finden Sie unter dieser Webseite
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