Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern
von Dr. phil. Sonja Deml | 28. April 2015
In Deutschland lebt ca. jedes vierte Kind mit einem psychisch kranken Elternteil zusammen. Vergessen und ohne Hilfe werden diese Kinder oft selbst krank.
Schätzungen zufolge leben in Deutschland etwa 3-4 Millionen Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil. Das betrifft quasi jedes vierte Kind! Psychische Erkrankungen können sich unterschiedlich äußern. Manche sind vorübergehend wie der postpartale Babyblues, andere treten wiederholt auf, wie etwa periodisch auftauchende Depressionen und manche sind dauerhaft, beispielsweise Psychosen. Unter psychischen Erkrankungen leiden die Betroffenen, die Partner, die sich nicht selten in eine Co-Abhängigkeit flüchten, und natürlich die Kinder.
Der Alltag von Kindern psychisch kranker Eltern
Kinder psychisch kranker Eltern werden durch die Erkrankung ihrer Eltern in eine besondere Rolle gedrängt. Sie müssen mehr Verantwortung für sich und möglicherweise für ihre Geschwister übernehmen. Viele Kinder müssen den Haushalt schmeißen wenn Mama oder Papa nicht dazu in der Lage sind. Viele Kinder können von ihren Eltern nicht richtig versorgt, ernährt, gepflegt und geliebt werden. Nicht selten sind die Rollen sogar vertauscht und die Kinder kümmern sich um ihre Eltern, was Parentifizerung genannt wird. Die Kinder stellen ihre Bedürfnisse zurück. Sie spüren, dass in ihrer Familie etwas anders ist, fühlen sich desorientiert. Einige Kinder fungieren sogar als Partnerersatz. Kinder psychisch kranker Eltern trauen sich in der Regel aber nicht, sich anderen anzuvertrauen. Sie haben Angst vor den Konsequenzen, denn schließlich kann es sein, dass Mama oder Papa in Therapie oder in ein Krankenhaus gehen und dann weg sind. Die Kinder fürchten, in ein Heim zu kommen und ihre Eltern lange Zeit nicht mehr zu sehen. Oder dass ihnen nicht geglaubt wird, sie für ihren Verrat von den Eltern bestraft werden usw. Dann schon lieber das vertraute Elend…
Vergessene Kinder können selbst krank werden
Kinder psychisch kranker Eltern werden auch die vergessenen Kinder genannt. Es sind ja eher die kranken Eltern, die auffallen, nicht die lieben, fürsorglichen und angepassten Kinder. Doch gerade das ist das Problem. Auf den Schultern dieser Kinder ruht zu viel Verantwortung und Druck. Nicht selten ziehen sich diese Kinder in eine Traumwelt zurück. Sie möchten weg von der Welt, in der sie ihre engsten Bezugspersonen nicht verstehen. Kindern sind die extremen Gefühlszustände, in denen sich psychisch kranke Erwachsene befinden, unverständlich. Sie fühlen sich nicht gehalten und als Kind mit seinen kindlichen Bedürfnissen wahrgenommen. Nicht wenige Kinder müssen Angst haben, dass der suchtkranke Elternteil wieder ausflippt, der depressive Elternteil seine Selbstmordabsichten wahrmacht oder der pädophile Elternteil auch heute Nacht über sie herfällt. Das geht an einem Kind natürlich nicht spurlos vorbei. Nicht wenige Kinder werden depressiv, möchten sich umbringen oder flüchten schon früh in eine Sucht.
Hilfe für Kinder psychisch kranker Eltern
Wenn ein Elternteil oder sogar beide Elternteile psychisch krank sind, brauchen Kinder schnellstmöglich Hilfe, am besten schon, wenn die ersten Krankheitsanzeichen sichtbar werden. Leider erhalten nur wenige Kinder psychisch kranker Eltern professionelle Hilfe. Das mag zum einen daran liegen, dass die psychische Erkrankung oft nach außen verborgen wird, die Kinder sich sogar mit den Eltern solidarisieren und die Erkrankung leugnen oder verharmlosen. Ein anderer Grund könnte auch sein, dass die wenigsten wissen, wo sie Hilfe für diese vergessenen Kinder bekommen können. Eine erste Anlaufstelle kann das Jugendamt oder ein Kinder- und Jugendpsychologe sein. Inzwischen gibt es Initiativen wie kipsy.net, netz-und-boden.de oder bag-kipe.de, die Hilfsangebote bereithalten. Die beste Hilfe erhalten die vergessenen Kinder allerdings von ihren eigenen Eltern, wenn diese ihre Krankheit (an)erkennen, sich in Therapie begeben und einen Weg suchen, um mit der Erkrankung umzugehen und ihrem Kind eine schönere Kindheit zu ermöglichen.
Foto: © Eléonore H – Fotolia.com
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