Veränderungen in der Liebe aus historischer Sicht
von Dr. phil. Sonja Deml | 16. Februar 2012
Welche Veränderungen gibt es in der Liebe und Partnerschaft aus historischer Sicht und wie beeinflussen sie die heutige Partnersuche? Interview mit G.Lindner...
Partnerschaften haben sich stets gewandelt, doch war das früher mit der Liebe alles einfacher? Dr.Sonja Deml hat den Historiker und Autor des Buches „Die individuelle Liebe“ Gregor Philipp Lindner gefragt.
Was unterscheidet Partnersuchende von denen unserer Elterngeneration?
Gregor Philipp Lindner: Eine Vielzahl von gesellschaftlichen Umständen, in denen unsere Eltern Erfahrungen während ihrer Partnersuche sammeln konnten, hat sich gewandelt. Als ein entscheidender Unterschied sei hier das Internet, insbesondere Online-Singlebörsen, genannt. Etwas Entscheidendes haben wir jedoch mit unseren Eltern gemein, denn auch diese Generation konnte nicht mehr auf die Erfahrungen der eigenen Eltern bauen, deren gesellschaftliche Umstände noch einmal völlig andere waren. Interessant ist darüber hinaus der Blick noch weiter zurück, in eine Zeit, in der „Singles“ keine Chance gehabt hätten, allein zu überleben. Damit verbunden stellt sich die Frage, was das für die weitere Entwicklung unserer Gesellschaft bedeutet, in der diese Form der Lebensführung überlebensfähig ist, wenn sie auch nicht als ebenso lebenswert wie eine Partnerschaft wahrgenommen wird.
Was macht die Liebe jetzt so schwierig?
Gregor Philipp Lindner: Die Gewöhnung an eine sofortige Bedürfnisbefriedigung in nahezu allen Lebensbereichen und eine daraus resultierende große Ungeduld führt gerade in der Liebe zu großen Problemen. Darüber hinaus ist auf die Möglichkeit zahlloser Ablenkungen durch beispielsweise Medienkonsum hinzuweisen, einhergehend mit einer alle Sinne umfassende Reizüberflutung. Das Wesentliche zu erkennen und sich diesem zu widmen, scheint dem Einzelnen oft zu schwierig. Das stetige Gefühl der Austauschbarkeit innerhalb der Arbeitswelt überträgt sich auf das Privatleben und kann sowohl zu Abhängigkeiten als auch Distanzierungen gegenüber anderen Menschen führen. Für die Liebe als langfristiges Lebensmodell ist beides im Extrem gleichsam schädlich.
Was ist denn aus Ihrer Sicht „die Liebe“?
Gregor Philipp Lindner: Liebe birgt die Möglichkeit, ein langfristiges glückliches Leben zu führen, in dem man sich ebenso lieben kann wie jemand anderen. Dies basiert meinem Verständnis nach auf einer sich entwickelnden Individualität der jeweiligen Partner. In dieser Form der Liebe offenbaren die Partner einander ihre Individualität und erkennen bzw. anerkennen die des anderen. Diesen stetigen Prozess innerhalb einer sexuellen Beziehung sehe ich als Möglichkeit in der heutigen Gesellschaft, ein langfristiges glückliches Leben zu zweit zu führen.
Welchen Ratschlag können Sie Singles auf Partnersuche geben?
Gregor Philipp Lindner: Ruhe bewahren, sich selbst lieben bzw. lieben lernen und sich immer mal wieder fragen, will ich das, was sich mir da in allen möglichen Lebenslagen bietet? Selbstbestimmung führt zur Selbstliebe. Fühlt ihr euch zu oft fremdbestimmt, liegt es an euch, das zu ändern. Nur so entwickelt ihr Individualität. Nur so werdet ihr für das geliebt, was ihr seid und nicht für das, was ihr auf den ersten Blick repräsentiert.
Sonja Deml: Vielen Dank!
Gregor Philipp Lindner (2010): Die individuelle Liebe. Der Versuch einer Mentalitätsgeschichte der Liebe. Tectum Verlag, Marburg
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