Gänsebraten an Weihnachten?
von Dr. phil. Sonja Deml | 13. Dezember 2019
Gänsebraten ist hierzulande ein traditionelles Essen zwischen Sankt Martin und Weihnachten. Doch leider müssen die Gänse dafür sehr leiden.
Gänse schreiten in ihrem Familienverbund über die grüne Wiese ihres Bauernhofes, picken nach Würmern und Gras, sonnen sich und nehmen schließlich ein Bad im Gänseweiher – dieses idyllische Leben wird nur einem winzig kleinen Bruchteil der hierzulande verspeisten Gänse zuteil. Die meisten Gänse, die als Festtagsbraten auf dem Teller landen, haben ein qualvolles Leben und Sterben hinter sich.
Gänse früher und heute
Seit Jahrtausenden gibt es Gänse. Die schönen und stolzen Tiere mit ihrem fröhlichen Geschnatter wurden früher sogar als Wachtiere eingesetzt, denn sie hängen an ihren Besitzern und warnen sie vor Angreifern, indem sie laut Alarm schlagen. Außerdem können sie angriffslustig sein. Deshalb haben Bauern ihre Gänse geschätzt und gepflegt. Die Gänse bekamen artgerechtes Futter, durften an der frischen Luft sein, mitunter sogar weite Märsche zurücklegen, denn sie finden von alleine wieder nachhause. Aber auch früher wurden Gänse geschlachtet. Dazu wurden sie allerdings nicht stundenlang eng aneinander gepfercht in einem Viehtransporter zum billigsten Schlachthof gefahren, wo sie kopfüber auf einem Förderband in ein elektrisch aufgeladenes Wasserbad getaucht werden, um unter Betäubung angestochen zu werden und auszubluten. Früher fanden Hausschlachtungen statt. Der Stress für die Tiere war wesentlich geringer. Aber vermutlich hätten sie es schöner gefunden, noch länger mit ihren Artgenossen auf dem Hof zu leben.
Gänsebraten aus dem Supermarkt
Laut der Albert Schweitzer Stiftung schlüpften 2016 in Deutschland ca. eine Million Gänseküken. Klingt viel, aber in Deutschland werden nur etwa 14 % des konsumierten Gänsefleisches produziert. Ca. 25.000 Tonnen Gänsefleisch werden jährlich vor allem aus Ungarn und Polen importiert. Weltweit stammt 95% des Gänsefleisches aus China.
Die meisten Gänse werden tiefgekühlt im Supermarkt oder Discounter gekauft und kommen oft aus Polen oder Ungarn, wo mangelnde oder gar fehlende Tierschutzstandards qualvolle Praktiken ermöglichen. Aber auch in Deutschland sind Gänse aus Massentierhaltung sehr schlechten Haltungsbedingungen ausgesetzt. Die armen Tiere können ihren sozialen Bedürfnissen nicht nachgehen, leben auf viel zu engem Raum und Aggressivität breitet sich aus. Kranke Tiere werden nicht adäquat behandelt, gesunde Tiere bekommen prophylaktisch Medikamente und Hormone, deren Rückstände im Fleisch landen. Oftmals sehen die Gänse in ihrem Leben weder Tageslicht noch dürfen sie eine Wiese betreten oder schwimmen. Stopfleberproduktion und Lebendrupf müssen sie erdulden und einen qualvollen Tod sterben, wenn die Betäubung beim Schlachten versagt und sie bei lebendigem Leib aufgeschnitten werden.
Gänsestopfleber
Foie gras (Französisch für fette Leber) gilt als Delikatesse, die aus der Leber von 5-6 Monate alten Gänsen (auch Enten) gewonnen wird. Allerdings erscheint eine Gänsestopfleber wenig delikat, wenn man weiß, dass sie ein krankhaftes Organ ist. Beim Stopfen werden die Gänse zwei bis drei Wochen lang mehrmals täglich mit einem Metallrohr, das vom Schnabel in den Magen gesteckt wird, zwangsernährt. In der Regel wird ihnen eine Mischung aus Fett und Mais reingestopft, was die Tiere krank macht, so dass sich die Leber auf bis das Zehnfache ihres Normalgewichtes vergrößert. Gänse stopfen ist für die Tiere natürlich sehr schmerzhaft. Psychischer Stress und Verletzungen durch das Metallrohr sind an der Tagesordnung. Zum Glück ist in vielen europäischen Ländern die Produktion von Gänsestopfleber verboten. Aber sie ist in einigen Ländern erlaubt und bislang gibt es keine Kennzeichnungspflicht für geschlachtete Gänse. Insofern unterstützen viele Kunden die Produktion, indem sie Gänsefleisch, aber auch Federn und Daunen als Nebenprodukt kaufen.
Gänsefleisch vom Bauernhof
Wer sich näher mit diesem traurigen Thema beschäftigt, wird merken, dass diese Zustände unhaltbar sind. Und mit diesem Wissen kann man einen Gänsebraten eigentlich nicht mehr genießen. Wer dennoch nicht auf dieses Essen verzichten möchte, sollte sich gut informieren und seine Martins- oder Weihnachtsgans (wie jedes tierische Lebensmittel) nur bei einem Produzent seines Vertrauens kaufen. Am besten ist Direktvermarktung. Auf Wochenmärkten kommt man mit den Bauern ins Gespräch und kann Fragen stellen. Die Produktion regionaler Lebensmittel ist am transparentesten und die Landwirte freuen sich über Interesse an ihren Produkten. In der Regel darf man auch gerne auf dem Hof vorbeischauen und sich von der artgerechten Haltung überzeugen. Die Zustände in der Massentierhaltung sind katastrophal, aber Verbraucher dürfen die Verantwortung dafür nicht nur der Politik oder den wirtschaftlichen Interessen der Betriebe zuschreiben. Vielmehr entscheiden wir mit unserem Einkaufsverhalten und jede nicht gekaufte Gans ist ein Signal an die Produzenten!
Die Weihnachtsgans Auguste
Mitgefühl mit den armen Gänsen, die zur Schlachtung bestimmt sind, macht unsere Welt besser. Das wusste schon klein Peterle, der Sohn des Kammersängers Löwenhaupt aus der wunderschönen Verfilmung „Die Weihnachtsgans Auguste“, der von Studio Hamburg Enterprises auf DVD veröffentlicht wurde. Peterle freundet sich nämlich mit der Gans Auguste an. Sie soll auf Anordnung seines Vaters vor Weihnachten geschlachtet und als Festtagsbraten verzehrt werden. Doch die Gans offenbart ihre Seele und ihre Gedanken, indem sie spricht und schmeichelt sich so nach und nach in die Herzen aller Familienmitglieder. Ob sie auch Vater Löwenhaupts Herz erweichen kann? Seht euch unbedingt diesen rührenden Weihnachtsfilm an oder lest mit euren Kindern das Buch.
Interessante Fakten zum Thema Gänse findest du unter ProVeg. Dort erhältst du auch Rezepte für leckere Alternativen zum Gänsebraten. Schließlich sollen nicht nur Auguste, sondern auch unzählige namenlose Gänse vor ihrem grausigen Schicksal bewahrt werden.
Foto: skeeze von Pixabay – Canva.com
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